Vom Segen der Grautöne

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Im Jahr 1918 werden Peter Roseggers 175. Geburtstag und sein 100. Todestag zu begehen sein. Es sieht nicht so aus, als würde dies zum Ereignis von nationaler Bedeutung geraten. Der ewige Waldbauernbub steht heute im Geruch xenophober Heimattümelei und rückwärtsgewandter Idylle. Seine Bücher sind vergriffen, es gibt keine Werkausgabe des einstigen Kultautors. Allein die Steiermark hält ihren berühmtesten Dichter in Ehren. Vor drei Jahren wurde Roseggers - von Felix Mitterer dramatisierter - Roman "Jakob der Letzte" mit großem Erfolg beim Geburtshaus am Alpl aufgeführt. Seit neunzig Jahren kümmert sich der Roseggerbund "Waldheimat" in Krieglach um das Andenken des Beinahe-Nobelpreisträgers. Und nach wie vor ist der Literaturpreis des Landes, inzwischen allerdings zum Nachwuchspreis heruntergestuft, nach ihm benannt.

Peter Rosegger war ein konservativer Gesellschaftskritiker mit aufklärerischer Stoßrichtung: gegen die Kirche und deren Sexualmoral, gegen die Ausbeutung der Natur, die kapitalistische Geldvergötzung, den Militarismus und die Willkür der Obrigkeit wie der Grundherren. Felix Mitterer liest ihn als einen, der daran erinnert, "dass die Großen immer die Kleinen in der Welt fressen". Rosegger ermöglichte den Bau der "Waldschule" für die Kinder der Alpl-Bauern und setzte als Katholik die Errichtung einer evangelischen Pfarrkirche in Mürzzuschlag durch. Gemäß dem radikalisierten Zeitgeist wetterte er als Publizist auch gegen "jüdische Laster", in seiner Literatur jedoch findet sich keine antisemitische Aussage. In der Geschichte "Wie ich mit dem Thresel auszog und mit dem Maischel heimkam" geht es im Gegenteil um die Bloßstellung des Vorurteils.

Ein Reaktionär? In einer Zeit, da Lagerdenken und Kulturkampf fröhliche Urständ feiern, wäre mehr denn je die Kunst der Differenzierung gefragt.

Die Autorin ist Germanistin und Literaturkritikerin

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