Vom Verrat an der Freiheit

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Unsereins frönt, politisch nicht ganz korrekt, aber immer wieder James-Bond-Filmen. Aber wir haben die Märchen über den Geheimdienst Ihrer Majestät nie für bare Münze genommen - zumal die weltpolitische Bedeutung des Vereinigten Königreiches zuletzt doch eher vernachlässigbar war. Letztes Wochenende wurden wir eines Besseren belehrt: Zuerst hielten die Geheimen im Transitbereich des Flughafens Heathrow den Lebensgefährten von Glenn Greenwald ohne Anklage oder Möglichkeit zum Rechtsbeistand fest - auf die Minute so lang, als es die lokalen Antiterror-Gesetze erlaubten. Greenwald ist der journalistische Aufdecker jener Datenaffäre, die auf den Informationen des NSA-Whistleblowers Edward Snowden beruht. Tags darauf offenbarte Greenwalds Chef vom Guardian, Alan Rusbridger, dass Geheimdienstler in allerhöchstem Auftrag die Vernichtung von Festplatten mit Snowden-Daten überwacht hatten.

Rusbridger kommentierte die Vorgänge gallig - ob der Secret Service denn glaube, mit der Festplatten-Zerstörung könne man den Guardian von weiterer Recherche abhalten: In der globalen Datenwelt dürfte sich die Aktion als hilflose Posse entpuppen. Der Chefredakteur kündigte an, mit den Recherchen außerhalb Ihrer Majestät Territorium weiterzumachen und elektronische Kommunikation zu minimieren; vielleicht müsse man ja zum Journalismus mit Zettel und Bleistift zurückkehren …

Whistleblowers gehören zum System der "Checks and Balances“

Zeitgleich muss sich ein anderer Whistleblower, US-Soldat Bradley Manning, der WikiLeaks zuarbeitete, vor Gericht verantworten - 80 Jahre Haft sind das Strafmaß, das ihn erwartet. Und John Kiriakou, jener "Verräter“, dem wir die Kenntnis verdanken, dass US-Dienste die Foltermethode des Waterboarding angewandt haben, ist für Jahre hinter Gittern verschwunden.

Man hätte sich nie träumen lassen, dass in der so genannten freien Welt Derartiges möglich ist. Geschilderte, sich überschlagende Ereignisse illustrieren die immense Bedrohung des demokratisch-rechtsstaatlichen Systems, auf das der Westen zu Recht so stolz ist. Es handelt sich um eine Bedrohung von innen her, die den politisch Handelnden vielleicht längst entglitten ist: Dieses System beruht auf Freiheit als einem der höchsten Werte. Und Rechtsstaatlichkeit, Schutz vor behördlicher Willkür. Und einem ausgeklügelten Gebilde aus "Checks and Balances“.

In Moskau und Peking lacht man sich ins Fäustchen

Diese Grundlagen stehen nicht mehr an erster Stelle, sondern alles und jedes wird einem vermeintlichen Dogma der Sicherheit untergeordnet. Nun soll natürlich nicht geleugnet werden, dass es Bedrohungen der Freiheit gibt, die sich als Bedrohungen der Sicherheit äußern. Der Terrorismus ist eine immense Gefahr, keine Frage. Aber Al Kaida & Co haben gewonnen, wenn die Grundrechte, auf denen das System fußt, obsolet werden, und wenn die Menschenrechte, mit denen etwa Folter nie und nimmer vereinbar ist, nicht mehr die staatliche Gewaltausübung begrenzen. Das ist inakzeptabel und bedarf gerade der genannten "Checks and Balances“, zu denen die Pressefreiheit zuvorderst gehört: Werden die Medien von der Staatsmacht in ihrer Wächterfunktion delegitimiert, gibt es die freie Welt nicht mehr.

Man freut sich absolut nicht, dass Edward Snowden nun in Putins Reich sitzt. Der Westen muss autoritären Verhältnissen wie in Russland und China auf die Finger schauen - und klopfen. Aber Wladimir Putin wie auch die derzeitige Regierungsbrigade in Peking dürfen sich ins Fäustchen lachen, wenn der Westen in seiner elektronischen Überwachungswut im Grunde ähnlich agiert wie die gescholtenen eurasischen und ostasiatischen Machthaber. Der Totalitarismus mag dort trotz aller wirtschaftlichen Verflechtungen Urständ feiern. Doch wenn es im Westen nur in der Dimension weniger repressiv zugeht, dann hätte sich das freie dem totalitären System längst angeglichen. Darum geht es. Und um nichts weniger.

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