Wohin Snowden fliegen sollte

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Erst vor zwei Wochen hatte ich an dieser Stelle die Erschöpfung und Ratlosigkeit der Welt angesichts des großen US-Lauschangriffs thematisiert. Kaum aber war jene Ausgabe der FURCHE bei ihren Lesern, war wieder alles anders: Angela Merkels angezapftes Handy, das Abhören des UNO-Generalsekretärs und das angebliche Ausspionieren des jüngsten Konklaves haben die Empörung noch einmal hochgetrieben, zugleich aber auch den doppelten Boden der Affäre deutlich gemacht.

Mehr denn je ist jetzt offenkundig,

• dass die wichtigsten Helfer der NSA in Europas Nachrichtendiensten sitzen - "hochrangig“ auch in Österreich. Denn nur wer den USA Geheimes liefert, darf auch auf Geheimes hoffen;

• dass alles Gerede vom "Anti-Terror-Krieg“ als Hauptmotiv für Amerikas globale Cyber-Spionage als falsch enthüllt ist;

• dass der technische Fortschritt längst jedem demokratischen Kontrollmechanismus davongelaufen ist (ein israelischer Minister hat es auf den Punkt gebracht: "Jeder belauscht doch jeden, so gut er es eben kann - und das immer …“);

• und dass sich die Mächtigen in Moskau und Peking hämisch die Hände reiben können: denn wer spricht angesichts des schnüffelnden "Uncle Sam“ noch von deren Überwachungswut - mit weit brutaleren Folgen?!

Mehr noch: Für den Kreml erweist sich Edward Snowden als strategisches Goldstück. Ist es ein Zufall, dass ausgerechnet ein deutscher Linkspolitiker den jungen Amerikaner besuchen durfte? Dass er in Deutschland prompt die Diskussion um ein Asyl für Snowden auslöste? Und dass diese Debatte die transatlantischen Beziehungen neu belastet - und also ein Volltreffer für die Interessen des Kremls ist, den Westen zu spalten?

Kronzeuge für überwundene Hybris

Der US-Führung ist jedenfalls das Schlimmste passiert, das einer Großmacht in der Schattenwelt der geheimen Dienste zustoßen kann: Sie ist erwischt worden. Und das genau dort, wo es dem Selbstverständnis Amerikas den denkbar größten Schaden zufügt: bei ihrer globalen Mission als Wachturm der Freiheit und der Bürgerrechte.

Gerade vor diesem hehren Anspruch ist es unsagbar peinlich, ja unerträglich, dass sich jener US-Bürger, der Amerikas Irrweg aufgezeigt hat, jetzt in Putins Reich verkriechen muss - als Hochverräter vom eigenen Land gejagt.

Wäre es nicht schön, in dieser unseligen Situation von einem US-Präsidenten träumen zu dürfen, der es wagte, sein Land aus dieser Bedrängnis herauszuführen? Der den Mut hätte, Edward Snowden nach intensiver Güterabwägung zwischen dessen Geheimnisverrat und dessen letztlich heilsamen Absichten heim zu holen, um vor der Welt die Wende hin zu einem geläuterten Amerika zu signalisieren? Eine Heimkehr weder als Held noch als Täter, wohl aber als Kronzeuge für überwundene Hybris und echten Veränderungswillen.

Noch läuft der Trend in den USA freilich anders: "Keine Milde“! Das allerletzte Wort ist es hoffentlich nicht.

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