Wagemutig mit clownesken Momenten

19451960198020002020

Volkstheater-Intendantin Anna Badora lud den jungen Regisseur und Max Reinhardt Seminar-Absolventen Felix Hafner ein, auf der großen Bühne Molières "Der Menschenfeind" zu inszenieren, und landet damit einen veritablen Erfolg.

19451960198020002020

Volkstheater-Intendantin Anna Badora lud den jungen Regisseur und Max Reinhardt Seminar-Absolventen Felix Hafner ein, auf der großen Bühne Molières "Der Menschenfeind" zu inszenieren, und landet damit einen veritablen Erfolg.

Werbung
Werbung
Werbung

Felix Hafner macht von Anfang an klar, worum es geht: Menschenfeind Alceste tritt allein auf. Misstrauisch blickt er ins Publikum. Alle anderen Figuren steigen gemeinsam zu beschwingter Musik eine Showtreppe herab, lächeln und winken in den Zuschauerraum, denn beliebt sein heißt alles. So drehen diese Society-Stars zwei, drei Runden, schaffen eine heiter-leichte Small-Talk-Atmosphäre, bis Alcestes Gespräch mit seinem Freund Philinte den Konflikt etabliert: Während Alceste fest davon überzeugt ist, dass der Mensch, der für sich selbst beansprucht, anständig zu sein, zur absoluten Ehrlichkeit verpflichtet ist, vertritt Philinte die Position der Diplomatie, die bisweilen auch falsche Höflichkeiten fordert.

Der theoretische Diskurs findet allzu schnell seinen Spiegel in der Praxis, als der Höfling Oronte eintrifft, um Alceste nach seiner Meinung über dessen Dichtkunst zu befragen. Mit Rainer Galke in der Rolle des eitlen Oronte, Lukas Holzhausen als Alceste und Sebastian Klein als Philinte wird diese Szene zu einem der Highlights der Inszenierung. Denn das - wie von Oronte betont - in Eile verfasste Sonett "Die Hoffnung" erweist sich als platte Gemütsäußerung von großer Peinlichkeit. Um der Dichtkunst noch zusätzlich Gewicht zu verleihen, singt Galke als selbstgefälliger Oronte die Verse. Die Musik liefert ein Kassettenrekorder, wie er vor Dekaden gebräuchlich war. Doch bis es tatsächlich dazu kommt, passieren noch einige Fauxpas und als die Parodie auf die dümmlichen Texte und das Gehabe deutscher Popstars erklingt, hat Hafner mit seinem Team für gelungene Komik gesorgt.

Der 1992 in Voitsberg geborene Max Reinhardt Seminar-Absolvent beweist Gefühl für Timing und er beherrscht das Handwerk. Das zeigt sich auch in der Szene zwischen der von allen begehrten jungen Witwe Célimène (Evi Kehrstephan) und ihrer vermeintlichen Freundin Arsinoé (Birgit Stöger). Unter dem Vorwand des fürsorglichen Wohlmeinens reiben die beiden einander buchstäblich bösen Tratsch unter die Nase. Aus dem damenhaft gezierten Verzehr der mitgebrachten Süßspeisen entwickelt sich eine recht undamenhafte Tortenschlacht mit clownesken Momenten. Am Ende sind beide (nicht nur in ihrer Ehre) angepatzt, sowohl die vermeintlich fromme Arsinoé als auch die nach allen Seiten hin kokettierende Célimène.

Ein kleines Happy End

Und auch der eitle Gockel Oronte kriegt am Schluss sein Fett ab - oder vielmehr Süßes. Als er der umschwärmten Célimène ein riesiges Lebkuchenherz umhängt, hofft er auf ihre Gegenliebe. Doch sie hat sich nach allen Seiten hin versprochen und so reißt er ihr das Herz vom Hals und stopft sich das Symbol seiner Liebe in den Mund. Grotesk überzogen verleibt er sich die Geliebte ein, um beinahe daran zu ersticken.

Die Society-Lady Célimène reicht am Ende ihrem Langzeitverehrer Alceste die Hand. Für einen Moment scheint das Liebesglück gesichert. Doch es wäre nicht Molière, ließe er seine Komödie so simpel enden. Der Wahrheitsfanatiker und die Vertreterin dieser Seitenblickegesellschaft können kein Paar werden, zu extrem sind ihre Positionen. Der gemäßigte Philinte hingegen findet sein Glück bei der pragmatischen Éliante (Nadine Quittner) und so kommt es doch noch zu einem kleinen Happy End.

Felix Hafner hat für seine Inszenierung eine Übersetzung in gereimten Versen von Regisseur Jürgen Gosch und dem Dramaturgen Wolfgang Wiens gewählt und massiv gekürzt. Die Dialoge sind schnell und schnörkellos, der kritische Blick auf die Adabeis aktuell. Ans Eingemachte geht es in dieser Inszenierung allerdings nicht. Molières Angriffe gegen die Aristokratie bzw. die Konfrontation des Bürgertums - und seinem Ideal, aufrichtig zu leben - mit dem nur an Äußerlichkeiten orientierten Adel ließen sich problemlos ins Heute übertragen. Eine die Missstände schönredende Politik böte genügend Material, um die Rhetorik der Heuchelei zu entlarven und über verlogene Anbiederungsstrategien zu lachen. So bleibt es bei der Ahnung, was Felix Hafner mit diesem ausgezeichneten Ensemble noch alles hätte erzählen können. Ein Erfolg ist diese heftig bejubelte Volkstheater-Produktion allemal.

Der Menschenfeind

Volkstheater

10., 17., 30. Okt., 3., 5. Nov.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung