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Die faszinierende Film- und Fotokünstlerin Lisl Ponger in Linz.

Leicht verschwommene, dunkle Bilder schwirren über die Leinwand. In rascher Abfolge wird man mit verschiedenen Kulturen und deren Lebensweise konfrontiert. Zu sehen sind Aufnahmen einer türkischen Doppelhochzeit, eines Ramadanfrühstücks im "Ägyptischen Klub", einer Kimono-Ankleidezeremonie in einem japanischen "Haarsalon". Untermalt werden sie in dem 2004 entstandenen Film "Phantom Fremdes Wien" von Musik aus dem jeweiligen Kulturkreis. Aus dem Off ist eine Stimme zu hören - die der Wiener Film- und Fotokünstlerin Lisl Ponger. In ihrem Kommentar erinnert sie sich an die Filmaufnahmen Anfang der 90er Jahre, sie reflektiert über die veränderte politische Situation seit der Entstehung des Rohmaterials, vor allem aber gibt sie Einblick in ihre Arbeits- und Denkweise. So bietet Ponger dem Betrachter ironisch mehrere Schlussszenen zur Auswahl an. Sie hinterfragt die Absolutheit des einzelnen Bildes und macht deutlich, wie relativ der jeweilige, künstlerische Blickwinkel ist.

In "Fremdes Wien" hat Lisl Ponger 1991/92 eine multikulturelle Weltreise unternommen - und Wien nie verlassen. Mit einer Super-8-Kamera besuchte sie Hochzeiten, Feste, Zusammenkünfte, Arbeitsplätze von Migranten und Migrantinnen. Sie zeigte, was öffentlich nie sichtbar wird und meinte: "Die Stadt ist wie ein Bergwerk, auf der Straße erkennt man relativ wenig davon. Vieles spielt sich im Verborgenen ab, du gehst in einen Hinterhof, in einen Keller und kommst plötzlich irgendwo an." Dass die documenta-11-Teilnehmerin ihr eigenes Projekt über zehn Jahre später nochmals einer kritischen Sichtung unterzog und daraus etwas Neues entwickelte, begründete Ponger mit einem Wandel der Asylpolitik: "Was sich damals als neu zu entdeckendes Terrain darstellte, ein, fremdes Wien' mit seinen Minoritäten bei Hochzeitsfeiern, religiösen Festen oder Nationalfeiertagen, ist heute ein nicht mehr zeitgemäßer Blick. Die Definition der Minderheitsösterreicher nur über ihre Kultur, ihre Folklore und ihr Essen genügt in einer Zeit verschärfter Asylgesetze und staatlich verordneter Deutschkurse nicht mehr."

"Phantom Fremdes Wien" ist nur einer von mehreren Film- und zahlreichen Fotoarbeiten, die derzeit in der bisher größten Museumsschau von Lisl Ponger in der Oberösterreichischen Landesgalerie zu sehen sind. Die Ausstellung entstand in Kooperation mit dem Kunsthaus Dresden, wo sie anschließend gezeigt wird. Sie gibt einen umfassenden Überblick über das subtile Werk von Lisl Ponger in seiner Vielschichtigkeit und widerlegt alle Vorurteile gegenüber gegenwärtigen Kunstpraktiken. Sie führt anschaulich vor Augen, dass Gegenwartskunst einen relevanten Beitrag zu aktuellen gesellschaftspolitischen Problemen leisten und ihn in einer einzigartigen ästhetischen Bildsprache in Fotos und Filmen formulieren kann.

Die 1947 in Nürnberg geborene und seit Jahrzehnten in Wien lebende Künstlerin befasst sich seit Jahren konsequent mit Fragen der Migration, der Integration von Fremden und den Auswirkungen der Globalisierung. Mit inszenierten Bildern hinterfragt sie etwa das problematische Erbe der Kolonialzeit, macht auf den westlichen Blick auf "Fremde und Fremdes", vor allem aber auf die Ausbeutung anderer Kulturen aufmerksam. "Lucky us" (2000) nennt sich ein ironisch-kritisches Foto, das die Künstlerin in einem Kolonialkostüm zeigt. In den Armen hält sie einen "afrikanischen Diener" in Form einer Miniatur-Skulptur, der ihr gerade einen weißen Spitzhandschuh anzieht.

Um die Rolle des westlichen Künstlers sowie um das Verhältnis von Kunstgeschichte und Kolonialgeschichte kreisen neuere Arbeiten. "Die Beute" (2006), so der eindeutige Titel einer Fotografie, die eine in ein aufgeschlagenes Buch versunkene junge Frau darstellt. Umgeben von Kleinskulpturen afrikanischer und asiatischer Herkunft, zitiert ihre Kleidung die europäische Avantgarde in Form von Paul Gaugin- und Gustav Klimt-Motiven - zwei Künstler, die von außereuropäischen Kulturen wesentliche Erneuerungsimpulse erhielten. Dass Lisl Ponger ihre eigene Rolle in Bildern selbstkritisch analysiert, ist nur einer der Gründe, warum die mehrfach mit Preisen ausgezeichnete Fotografin zu den interessantesten Protagonistinnen der österreichischen Kunstszene zählt: "Als weiße Künstlerin bis du ein Teil dieser Machtverhältnisse, und die einzige Chance, die ich im Moment sehe, ist, diese ungleichen Machtverhältnisse in der Arbeit mitzureflektieren."

Lisl Ponger. Imago Mundi

Landesgalerie Linz

Museumstraße 14, 4010 Linz

www.landesgalerie.at

Bis 17. 2. Di-Fr 9-18, Sa, So 10-17h

Katalog: Lisl Ponger. Foto- und Filmarbeiten, Wieser Verlag, Klagenfurt 2008, 175 Seiten, € 22,-

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