Wegen Umbau 9/11-Trauer verboten!

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Die Bauarbeiten am Ground Zero lassen heuer keinen Platz mehr zum Trauern um die Todesopfer der Terrorangriffe vom 11. September 2001: New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg verlegte die Zeremonie in den Zucotti Park am Broadway, etliche hundert Meter von der bisherigen Gedenkstätte entfernt. Bloomberg ging allerdings auf den heftigen Protest einiger Gruppen ein und gab die Rampe hinunter in die Baugrube ein letztes Mal frei - unter strikten Auflagen. Damit steht jetzt endgültig der Abschied von Ground Zero bevor, der für viele Hinterbliebene fast sakrale Bedeutung hat.

Seit zwei Jahren wird auf Ground Zero gebaut. Doch statt des versprochenen Fanals für die Freiheit entstehe auf dem Baugrund ein "Denkmal der Mittelmäßigkeit", sagen Kritiker. Daniel Libeskinds Entwurf für einen inspirativen wie trotzigen Freedom Tower wurde von dessen Erzrivalen David Childs zu einer "Festung" umgearbeitet, heißt es enttäuscht: mehr Bürofläche, weniger Symbolik, auch wenn eine Gedenkstätte mit sieben Stockwerke hohen Wasserfällen und Katakomben entstehen soll.

Anfang 2008 fällt der Startschuss für den Bau von weiteren drei Wolkenkratzern am Ground Zero unter Planung von drei Größen der Weltarchitektur: Der vom Büro Norman Foster entworfene "Turm 2" soll 387 Meter in den Himmel ragen. "Turm 3" stammt vom Zeichentisch des Architektenbüros Rogers Stirk Harbour und wird eine Höhe von 347 Meter erreichen. "Turm 4", ein Design von Fumihiko Maki and Maki bleibt knapp unter 300 Meter.

Architektur "zum Vergessen"

Die Entwürfe sind nach Meinung der New York Times zwar "solide und kompetent", verrieten aber nichts vom wahren Talent dieser Design-Stars. Der Wiederaufbau des World Trade Center "wird von politischem Opportunismus, geheimen Deals und Profitgier bestimmt", empört sich die Zeitung. Lediglich der Spanier Santiago Calavatra habe freie Hand zur Gestaltung der Bahnstation an der Ostseite von Ground Zero bekommen. Im Vergleich zu seinem "grandiosen Design", einer elliptischen Form mit zwei Schwingen ähnlichen Baldachinen, könne man die konservativen Entwürfe von Foster, Rogers und Maki "schlicht vergessen", meint auch der US-Architekturkritiker Philip Nobel in seinem neuen Buch "Sixteen Acres". Was derzeit auf Ground Zero passiere, habe nichts mehr mit den Versprechen für einen monumentalen Wiederaufbau zu tun. "Es ist aber nichts desto trotz ein Tribut an New York - chaotisch, in Geld schwimmend, von zu viel Ego und viel zu wenig Vernunft bestimmt", schreibt er.

Die Skyline von Manhattan wird voraussichtlich um das Jahr 2012 wieder komplett sein. Bislang ersetzt erst ein eher nichts sagender gläserne Büroturm mit 52 Stockwerken die frühere "World Trade Center Nummer 7". Er ist von Ground Zero durch eine Straße getrennt.

Sechs Jahre nach 9/11 gibt es erstmals auch Stimmen, die sich von der Gedenkfeier für die Opfer distanzieren. "Hat Trauer denn kein Verfallsdatum?", heißt es in einem Leserbrief an die New York Times. Ein 56-jähriger Softwarelehrer meint: "Ich weiß ja, dass es eine Tragödie ist. Aber es muss doch weitergehen. Ich habe das Gefühl, dass sich manche Leute an ihr Los als Opfer klammern - und das reicht mir jetzt." WM/APA

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