Weggesperrte Sätze, verbannte Reden

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Der internationale Tag der "Writers in Prison" am 15. November soll an die inhaftierten Schriftsteller weltweit erinnern. Autoren wie der Ägypter Alaa Abd El Fattah oder der Bangladeshi Ananta Bijou Das riskieren für die Freiheit des Wortes nicht weniger als Leib und Leben.

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Der internationale Tag der "Writers in Prison" am 15. November soll an die inhaftierten Schriftsteller weltweit erinnern. Autoren wie der Ägypter Alaa Abd El Fattah oder der Bangladeshi Ananta Bijou Das riskieren für die Freiheit des Wortes nicht weniger als Leib und Leben.

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Blogger leben gefährlich. In der weltweit geführten Bilanz für 2015 des Internationalen PEN über verfolgte Schriftsteller werden 132 Blogger aufgezählt, zwölf von ihnen wurden ermordet, drei sind verschwunden. Weitere 32 sitzen in Gefängnissen, 21 sitzen in U-Haft oder werden festgehalten, 13 weitere wurden angeklagt, 18 Blogger erfuhren Todesdrohungen. Diese Bilanz ist erschreckend. In 62 Ländern - auch in Österreich - setzen sich Writers-in-Prison-Komitees der internationalen Schriftstellervereinigung PEN (Poets, Essayists, Novelists) für inhaftierte Schriftsteller ein.

Islamistische Bedrohung

Besonders dramatisch waren die Ereignisse in Bangladesch im Jahre 2015. In diesem Lande gibt es politische Auseinandersetzungen zwischen politischen Gruppierungen, die ein säkulares Staatsverständnis propagieren und auf einer Trennung zwischen Staat und Religion bestehen, mit islamistischen Gruppierungen, die einen islamischen Staat orthodoxer, sunnitischer Prägung fordern. Religionskritische oder atheistische Blogger wurden angriffen. In Bangladesch wurden 2015 vier Blogger ermordet. Besonders tragisch war aus Sicht der Writers-in-Prison-Komitees der Fall von Ananta Bijoy Das. Dieser atheistische Blogger gab die Vierteljahreschrift Jukti (Logik) heraus und schrieb Blogbeiträge für den Blog Mukto-Mona. Ananta Das war 2015 vom Schwedischen PEN eingeladen worden, um in Schweden über die Verfolgung der Schriftsteller in Bangladesch zu sprechen. Die schwedische Regierung verweigerte ihm ein Visum mit der Begründung, es bestünde keine Gewährleistung, dass der Blogger nach dem Aufenthalt in Schweden in sein Heimatland zurückkehren würde. Außerdem sei der Anlass der Reise nicht dringend genug, um ein Visum zu gewähren. Vom Schwedischen PEN ermutigt, legte er gegen diese Entscheidung Berufung ein, ebenso stellte der Schwedische PEN in einem dringenden Schreiben an die schwedische Botschaft in Dhaka die guten Gründe dar für die Gewährung eines Visum. Vergebens. Nur wenige Stunden später, als Ananta Das in Sylhet, Bangladesch, sein Haus verließ, um zur Arbeit zu gehen, lauerten ihm vier Attentäter mit Macheten auf und schlugen ihn auf offener, belebter Straße tot. Auch hier ist bisher keiner der Mörder verurteilt worden. Nur wenige Stunden vor seinem Tod schrieb er in seinem allerletzten Eintrag: Niemand, der einen freien Geist hat, kann sich durch die Mauern der Engstirnigkeit einschränken lassen.

Dieses Beispiel zeigt nicht nur, wie wichtig die Arbeit der Writers-in-Prison-Komitees ist, ja lebenswichtig manchmal sogar, wie aber auch alle, die sich für bedrohte Schriftsteller einsetzen, mit Gefühlen der Ohnmacht und Hilflosigkeit zu kämpfen haben. Die Verzweiflung, aber auch der Zorn der schwedischen Kollegen war auf der anschließenden Writers-in-Prison-Konferenz in Amsterdam mit Händen zu greifen.

Auch Ägypten liebt seine Blogger nicht: 7 Blogger und Website-Kommentatoren sind in Haft. Es spricht für sich, dass Ägypten in der Rangliste der Pressefreiheit (1. Platz: Finnland) von Reporter Ohne Grenzen den Platz Nr. 159 belegt ...

Das hiesige Writers-in-Prison-Komitee des österreichischen PEN-Clubs hat einen ägyptischen Blogger zum Ehrenmitglied ernannt. Auf seinen Fall sei hier in besonderer Weise hingewiesen.

Alaa Abd El Fattah ist ein ägyptischer Blogger und Aktivist, der mit seiner Frau Manal den populären Blog Manalaa gründete. Am 28.November 2013 durchsuchten Sicherheitsbeamte seine Wohnung ohne Durchsuchungs-oder Haftbefehl. Computer und Handys wurden konfisziert, er wurde in Handschellen und mit einer Augenbinde abgeführt. In seinem Schlafzimmer waren Blutspuren von den Schlägen, die er bei der Verhaftung erhalten hatte. Er kam wieder frei, wurde noch zwei Mal verhaftet, um schlussendlich, ohne bei Gericht anwesend zu sein, zusammen mit weiteren 25 Angeklagten zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt zu werden. Die Verurteilung in absentia scheint eine ägyptische Spezialität zu sein, wurden doch im Jahre 2014 immerhin 683 Muslimbrüder in absentia von einem ägyptischen Gericht zum Tode verurteilt. Man wirft El Fattah vor, gegen das umstrittene neue Demonstrationsgesetz verstoßen zu haben. Diese Begründung für eine solche Strafe spricht für sich. Er wurde weiterhin zu einer Geldstrafe von 100.000 ägyptischen Pfund verurteilt (ca. € 10.000) und zu polizeilicher fünfjähriger Überwachung nach dem Absitzen der 15-jährigen Strafe. Bei der Amnestie im Jahre 2015 wurde er nicht berücksichtigt. Er ist im Tora Prison inhaftiert, Ägyptens berüchtigtem Hochsicherheitsgefängnis.

"Manchmal Ohrfeigen"

Eine persönliche Intervention des hiesigen Writers-in-Prison- Komitees beim ägyptischen Botschafter in Wien und weitere Protestschreiben blieben ohne jede Antwort. Natürlich bestritt der Botschafter, was alle Welt weiß, dass in ägyptischen Gefängnissen gefoltert wird. Es könne aber manchmal zu Ohrfeigen kommen ...

Erfreulicherweise setzte sich das Menschenrechtsbüro im Österreichischen Außenministeriums letztes Jahr sehr für den Blogger ein, allerdings ohne Erfolg.

Seit 35 Jahren wird am 15. November weltweit in allen Ländern, in denen es Zentren der internationalen Schriftstellervereinigung PEN (Poets, Essayists, Novelists) gibt, der Tag des inhaftierten Schriftstellers begangen. Dieser Tag wurde von PEN im Jahre 1981 eingeführt mit dem Ziel, die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf gefangene, ermordete oder anderweitig bedrängte Schriftstellerkollegen zu lenken. Es gibt jedoch einen wichtigen Vorbehalt: Gefangene, die wegen Propagierung von Gewalt oder gar ihrer Anwendung verurteilt wurden, werden nicht unterstützt, weil ihre Aktivitäten mit der Charta des Internationalen PEN unvereinbar sind.

Zum Anlass des Writers-in-Prison-Day erscheint auch im Augustin die von der Alten Schmiede verantwortete Beilage "Der Hammer" mit dem Thema "Das gefährdete Wort: Writers-in-Prison". Der Österreichische PEN-Club veranstaltet am 15. November um 19.00 Uhr in der Alten Schmiede, Schönlaternstr. 9 in Wien, den Writers-in-Prison-Day. Als Ehrengast kommt das Honorary Member des österreichischen PEN, der soeben freigekommene katarische Dichter Mohammed al-Ajami. Manfred Novak, Professor für Internationales Recht und Menschenrechte, wird das Buch "Desaparecido" vorstellen. Der bekannte Schauspieler Wolfgang Böck und Mitglieder des WIP-Komitees werden Texte inhaftierter Autoren lesen. Es wird auch ein Text von Alaa Abd El Fattah gelesen.

Seine Frau Manal schrieb uns dieser Tage, dass er sich sehr gefreut habe, als er erfuhr, dass wir am 15. November auch Texte von ihm lesen werden. Sie schreibt: It's always tough to feel that life is going on outside of prison and you are forgotten.

Alaa Abd El Fattah ist nicht vergessen. Er wird am 18. November 35 Jahre alt. Der Österreichische PEN-Club fordert seine sofortige bedingungslose Freilassung!

Der Autor ist Psychotherapeut. Als Hörspiel- und Prosaautor ist er Beauftragter für Writers-in-Prison im österreichischen PEN-Club.

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