Lebensrisiko Schreiben

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Schriftsteller weltweit eingesperrt, gefoltert, ermordet. Zum "Writers in Prison Day".

Binnen eines Jahres wurden 28 Schriftsteller und Journalisten in 19 Ländern ermordet, mehr als 200 sind weltweit in Haft. Am 15. November, dem "Writers in Prison Day", präsentiert der internationale PEN-Club seit 1980 diese Zahlen und fünf dramatische Fälle der Öffentlichkeit. Drei Journalisten, in Mexiko ermordet, vier auf den Malediven zu langer Haft verurteilte Internet-Aktivisten, ein seit sechs Monaten verschwundener Autor der Elfenbeinküste, ein inhaftierter turkmenischer Schriftsteller, dessen Bücher verboten wurden, und ein im Iran einsitzender und misshandelter Autor sind es diesmal.

Die Dissidenten in unseren Nachbarländern kannte man noch, aber die Namen dieser Autoren sagen uns nichts, oft kennen wir kaum ihre Länder. Diese Schwierigkeiten nennt Helmuth A. Niederle, der die "Writers in Prison"-Aktivitäten des Österreichischen PEN koordiniert. Und von den Toten und Verschwundenen kann man meist nicht einmal die im Medienzeitalter so wichtigen Bilder präsentieren.

Briefe ins Gefängnis

Paul Kamara, Verleger einer Tageszeitung in Sierra Leone, ist kein unbekanntes Gesicht. Am 5. Oktober wurde er zu zweimal 24 Monaten verurteilt. Seine Zeitung hatte über Bestechungsvorwürfe berichtet, in die auch Präsident Kabbah verwickelt gewesen sein soll. Dem "Writers in Prison"-Komitee steht gegen solche Methoden vor allem eine "Waffe" zur Verfügung: Briefe schreiben - sowohl an den betreffenden Staatspräsidenten als auch den Inhaftierten selbst, um die internationale Aufmerksamkeit auf sein Schicksal zu dokumentieren. Der Mexikaner José Gallardo Rodriguez hat in mehr als achtjähriger Haft über 35.000 Schreiben bekommen. Das hat ihn vor Folterungen geschützt und seiner Familie geholfen , mit ihm durchzuhalten.

In welchen Ländern sind die Schreibenden am meisten bedroht? Was die Zahl der Fälle betrifft, liegt die Türkei weit voran, weiß Niederle: "Dort hat sich zwar die Rechtslage verbessert, die rechtspraxis jedoch keineswegs. Noch immer sind zahlreiche Verleger, Schriftsteller und Journalisten mit Haftstrafen belegt oder sollen oft mit mehreren Gerichtsverfahren gleichzeitig unter Druck und dadurch zum Schweigen gebracht werden." Kuba hat besonders lange und brutale Haftstrafen, Kolumbien ist ein Problem, in China werden Internetaktivitäten überwacht, in etlichen afrikanischen Staaten ist die Freiheit des Wortes unbekannt...

Manche Schriftsteller und Journalisten können ihr Leben nur durch Flucht retten. Aber damit sind ihre Probleme nicht zu Ende, wie der Fall des 28-jährigen Journalisten Cheikh Kone von der Elfenbeinküste zeigt. Er kam in Australien für drei Jahre in Untersuchungshaft, bevor ihm dort nach einer PEN-Kampagne permanenter Aufenthalt gewährt wurde. Doch für die Zeit des Gewahrsams wurden ihm 89.000 Dollar in Rechnung gestellt. Das ist kein Einzelfall - Frankreich hat von dem kambodschanischen Journalisten Lam Khi Try und seiner Frau 260.000 Dollar gefordert.

Unterstützung im Exil

"Unsere Schriftsteller haben dadurch überlebt, dass sie in anderen Ländern Aufnahme gefunden haben", mahnt Helmuth A. Niederle unsere Bringschuld ein: "Wir sind verpflichtet, anderen eine Chance zu geben." Ursprünglich haben sich vier Städte in Österreich an dem Programm "Writers in Exile" beteiligt: Salzburg, Götzis, Wien und Graz. Doch nur das Internationale Haus der Autoren Graz beherbergt seit 1997 jährlich einen Schriftsteller - derzeit ist es der Kubaner Carlos A. Aguileras. Dort setzt er sich für die 75 von der großangelegten Verurteilungs- und Inhaftierungsaktion des Diktators Fidel Castro betroffenen Intellektuellen ein. Sein offener Brief wurde u. a. von Václav Havel, Günter Grass und Herta Müller unterzeichnet.

Insgesamt hat sich die Lage der Autorinnen und Autoren verschlechtert - seit dem New Yorker Attentat vom 11. September 2001 ist die Anzahl der Inhaftierten um etwa 27 Prozent gestiegen. "Terrorismusbekämpfung" nimmt es mit der Gedankenfreiheit nicht immer so genau. Auch in EU-Ländern wurden unabhängige Journalisten tagelang eingesperrt. In Spanien wurde der baskische Journalist Martxelo Otamendi 2003 in einem Madrider Gefängnis fünf Tage lang gefoltert - seiner Zeitung wurde ein Naheverhältnis zu baskischen Terroristen vorgeworfen. Der 15. November wird noch lange "Writers in Prison Day" sein. Briefschreiber dringend gesucht.

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