Wenn Fehler erwünscht sind

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Es klingt fast wie ein neuer Kult um den Fehler. Und man könnte hinzufügen: gut so, denn waren die angeblichen Fehlleistungen nicht der Stoff, aus dem die Albträume der Schulzeit bestanden? Der gezückte Rotstift wurde zur dauernden Bedrohung, das schreckliche Gefühl, wenn einem nach der Schularbeit ein Fehler klar wurde, zum einprägsamen Bauchwehgefühl. Man wälzte sich selbstkritisch in den Schlaf, wissend, dass das Schularbeitsheft nun auf dem häuslichen Schreibtisch des Lehrers lag – unveränderbar, ausgeliefert, ohne die geringste Chance auf Erklärung. Gut, es gab dann irgendwann die nächste Schularbeit. Doch zuerst kam die Rückgabe der Schularbeitshefte, der Blick auf den Rotanteil und die Fehlerbewertung.

Da liest sich bereits der Buchtitel „Nur wer Fehler macht, kommt weiter. Wege zu einer neuen Lernkultur“ wie Balsam auf einer vom Schulsystem (mäßig) gequälten Seele. Der kleine Sammelband, herausgegeben vom Wissenschaftsjournalisten Ralf Caspary, beinhaltet mehrere kurze und lehrreiche Aufsätze zur neuen Fehlerkultur, etwa aus der Feder des Psychiaters und Gehirnforschers Manfred Spitzer, der Musikpädagogin Maria Spychiger (siehe auch oben) und weiterer Fachleute aus dem Bereich Bildung oder Unternehmen. Fehler in der Mathematik, im Gehirn, in Unternehmen dürfen ebenso wenig fehlen wie ein Vergleich der Fehlerkultur etwa in deutschen Unternehmen mit jener im fehlerfreundlicheren Japan, das als Modell angeführt wird.

Es beginnt im Herausgeberwort mit einem Plädoyer für eine neue Unterrichtskultur. Es bleibt nicht nur bei einem Plädoyer und einer Bestandsaufnahme des (deutschen) Schulsystems stehen, auch die Wissenschaft untermauert den Sinn des Fehlermachens. So belegen Studien, dass das Erklären von Fehlern anderer das schulische Lernen fördert. So resümiert der Lehr-Lern-Forscher Ralph Schumacher: „Schulische Lernprozesse lassen sich also fördern, indem man zu diesem Zweck entwickelte Fehler (…) in den Unterricht einbezieht und die Schüler auffordert zu erklären, warum bestimmte Lösungsvorschläge korrekt und warum andere nicht korrekt sind.“

Ein aufschlussreiches kleines Buch, das den Fehler um die Fixierung auf das Falsche in unseren Schulen offenlegt. Das aber auch vor einem „Kult“ warnt. Der konkrete Unterricht müsste nun alsbald genauer untersucht werden, um zu sehen, wie Theorie und Praxis auseinanderklaffen. (bog)

Nur wer Fehler macht, kommt weiter

Von Ralf Caspary (Hg.)

Herder 2008. 157 S., brosch., e 10,20

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