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ALPHONS LHOTSKY/ KUSTOS, LEHRER, FORSCHER

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Auf dem Jahrmarkt der republikanischen Eitelkeiten stellt ein Orden eines der höchsten Ziele dar. Selten, fast nie passiert es, daß ein Auszuzeichnender erst überredet werden muß, einen ihm für echte Verdienste zustehenden Orden anzunehmen. Der Ordinarius für Österreichische Geschichte an der Universität Wien, Univ.-Prof. Alphons Lhotsky, der dieser Tage seinen 60. Geburtstag feiert, war erst nach langem Zögern bereit, eine Auszeichnung anzunehmen — ein Wesenszug, der alle, die diesen akademischen Lehrer auch als Menschen kennen und schätzen, sicherlich nicht überraschen wird.

Noch ah Kind lernte Alphons Lhotsky die Weiträumigkeit der Donaumonarchie kennen, machte er doch als echtes „Tornisterkind“ jeden Garnisonswechsel seines

Vaters, eines k. u. k. Obersten, mit. Am 8. Mai 1903 in Wien geboren, entstammt Alphons Lhotsky einer jener übernationalen Offiziersund Beamtenfamilien, die, „schwarzgelb bis in die Knochen“, das Fundament und die Klammer des sich schon langsam auflösenden Vielvölkerstaates bildeten. Wieviel verdankt doch Österreich — sei es die alte Monarchie oder die junge Republik — den Begabungen, die aus diesen Familien hervorgegangen sind!

In einer scheinbar gesicherten Welt, der „Welt von gestern“, bezog der Knabe im Herbst 1913 das Gymnasium. Seine humanistischen Studien schlössen in einer Welt des Umsturzes mit der am 15. Juli 1921 abgelegten Matura am ehemaligen Leopold-Salvator-Gym-nasium in der Wiener Maroltinger-gasse. Der Entschluß, die humanistische Bildung noch zu vertiefen und an der Universität Geschichte und Kunstgeschichte zu studieren, war bei Alphons Lhotsky schon lange festgestanden. Im Wintersemester 1921/22 immatrikuliert er an der Wiener Universität — in einer seltsamen, aus den Fugen geratenen Zeit. Was sollte aus dem kleingewordenen Österreich werden? In den Straßen demonstrierten sozialdemokratische Arbeiter für den Anschluß an das republikanische Deutschland, in den Hörsälen und Seminaren wurde die österreichische Geschichte aus großdeutscher Perspektive betrachtet. In den Batiken der überfüllten Hörsäle saßen neben den eben aus dem Gymnasium kommenden Studenten junge illusions- und lustlos gewordene Offiziere, vom Krieg aus der vorgezeichneten

Bahn eines bürgerlichen Lebens geworfen.

Hervorragende Gelehrte wie Wilhelm Bauer, Alfons Dopsch, Emil v. Ottenthai, Oswald Redlich, Heinrich v. Srbik und die einander so entgegengesetzten Kunsthistoriker Max Dvorak und Julius v. Schlosser waren die Lehrer und Leiter Alphons Lhotskys, dessen Doktordissertation sich mit der Entstehung der bischöflichen Offizialat-gerichte in Süddeutschland beschäftigte. Am 14. Juli 1925 wurde Alphons Lhotsky zum Doktor der Philosophie promoviert. Der junge Doktor gehörte bereits seit 1923 als ordentliches Mitglied des 34. Kurses dem Institut für Österreichische Geschichtsforschung an, die Staatsprüfung legte er 1925 ab. Mit den Berufsaussichten sah es freilich trübe aus: Nach zweijähriger Wartezeit wurde Lhotsky 1927 als unbezahlter Volontär, erst drei Jahre später als Vertragsangestellter in den Dienst des Unterrichtsministeriums übernommen.

Noch acht Jahre sollten vergehen, bis Alphons Lhotsky endlich eine seiner Begabung und Ausbildung entsprechende Stelle als Kustos am Kunsthistorischen Museum erhielt. Das Jahr 193%, das ihn, den überzeugten Österreicher, so hart treffen mußte, brachte ihm wenigstens eine gewisse berufliche Sicherheit und Unabhängigkeit. Aus der Musealpraxis entstand in den Jahren bis 1945 eine Reihe von Arbeiten, die nicht nur dem Kunsthistoriker unentbehrliches Hilfsmittel geworden sind, darunter die dreibändige Geschichte des Kunsthistorischen Museums (1941 bis 1945). Während der Luftangriffe, besonders

aber während der Straßenkämpfe der Apriltage 1945, leistete Alphons Lhotsky fast Übermenschliches zum Schutz und zur Erhaltung der ihm artvertrauten Kunstgegenstände, für die er mehr als einmal sein Leben einsetzte: Als sowjetische Soldaten während des Vorrückens in das Museumgebäude eindrangen, sperrten sie das unter Alphons Lhotskys Führung zurückgebliebende kleine Häuflein Getreuer in den Keller, es einem ungewissen Schicksal überlassend. Die Flucht durch eine von Fliegerbomben geschaffene Öffnung rettete ihn und seine Männer vor der Gefahr der Verschleppung.

Der Schritt zum akademischen Lehramt vollzog sich noch 1945. Der Habilitation als Privatdozent folgte sehr rasch ein Lehrauftrag zur Führung der Lehrkanzel für Geschichte Österreichs. 1946 kam die Ernennung zum außerordentlichen Professor. Bereits 1946 zum korrespondierenden und 1950 zum wirklichen Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften gewählt, erlangte Alphons Lhotsky allerdings erst 1951 die ordentliche Professur seines Faches. Als unendlich warmherziger und liebenswürdiger akademischer Lehrer konnte er auch bald die Zuneigung der studierenden Jugend gewinnen. Die unerschütterlichfreundschaftliche Hilfsbereitschaft Alphons Lhotskys, der für die Sorgen jedes Studenten ein williges Ohr hat. die Bürde des akademischen Lehramtes überhaupt, hindern ihn jedoch nicht, immer neue Themenkreise tu erschließen, an denen der weitgespannte Bogen tausendjähriger österreichischer Geschichte so reich ist.

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