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Das österreichische Kolonisationswerk in der Batschka

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Mit dem Frieden von Pozarevac (Passarowitz) wurde der Türkenkrieg von 1716 bis 1718 glücklich beendet und außer Nordserbien und der kleinen Walachei vor allem auch das Temescher Banat für Österreich gewonnen. Vorerst noch eine versumpfte, menschenleere Steppe, wurde es erst durch die entsagungsvolle und mancherlei Rückschlägen unterworfene österreichische Kolonisierung, besonders unter dem ersten Gouverneur, Feldmarschall Grafen M e r c y d'A rgenteau, zu einer der wichtigsten Getreidekammern des alten Österreichs. Nicht minder bedeutend, wenn auch weniger bekannt, ist die österreichische Neubesiedlung der Batschka, des Südteiles der großen ungaiischen Tiefebene zwischen Donau und Theiß.

Die Befreiung der Batschka erfolgte etwas früher als die des Banats. Schon 1686 erschienen hier die kaiserlichen Truppen unter Karl v. Lothringen, der die Türken bei S o m b o r und B a t s c h schlug. Im folgenden Jahre war das Land befriedet. Freilich war es ebenso wie das Banat verwüstet und “nahezu menschenleer, der Sumpf hatte wieder die Oberhand gewonnen. Nur spärliche Reste der von den Türken seit etwa 1600 angesiedelten katho-lis(+ien Kroaten aus Bosnien und Dalma-tien, der sogenannten Bunjewatzen und Schokatzen, hatten sich gehalten und waren nun aus ihren Dörfern in die von den Türken verlassenen Festungen und Schanzen, nach Sombor und Subotica, gezogen. Ungeheure Weideflächen standen dem Staat als einzigem Grundherren zur Verfügung, fast die ganze Batschka bildete einen einzigen Kameraldistrikt. Es war daher Österreich nicht unerwünscht, daß wenige Jahre später, 1690, die vor den Türken flüchtenden Serben unter ihrem Patriarchen Arsenije III. Carnojevic in der Batschka eine zunächst nur als vorübergehend gedachte neue Heimstätte fanden und schließlich bei der nach dem Frieden von Kar-lowitz erfolgten Organisation der Militärgrenze, also den Flüssen entlang, dauernd angesiedelt wurden, wobei an extensivste Viehzucht als Hauptquelle für den Lebensunterhalt gedieht wurde.

Hand in Hand mit der Einrichtung der Militärgrenze ging auch eine Reorganisation der kirchlichen Verwaltung. In der sogenannten Peterwardeiner Schanze, dem heutigen Neusatz-Novisad, wurde 1702 eine römisch-katholische Pfarre errichtet, deren erstes Matrikenbuch eine wichtige Quelle für die Besiedlungsgeschichte der Batschka ist. Schon gleich nach der Gründung der Pfarre taucht hier auch der erste deutsche Name auf, bald finden sich auch im benachbarten Futog deutschsprachige Kolonisten, die der Neusatzer Pfarre unterstanden. In der Hauptsache waren es jedoch Handwerker und Kaufleute, die sich den österreichischen Truppen angeschlossen hatten. Von einer systematischen Besiedlung ist noch keine Rede.

Aber auch diese spärliche Bevölkerung wurde durch die Kuruzzenkriege und die Pest zum großen Teil wieder vernichtet, die Bevölkerungsdichte sank zu Beginn der Regierung Karls VI. auf höchstens zwei bis drei Einwohner auf den Quadratkilometer. Ende der zwanziger Jahre begannen nun die ersten' Ansätze zu einer planmäßigen Neubesiedlung der Batschka, und zwar im Nordwesten und Südwesten. Anregend scheint die geglückte Kolonisierung in der benachbarten Schwäbischen Türkei gewirkt zu haben. Eine starke Au^we^ung erfuhren diese ersten Ansätze ferner durch die Aufnahme der aus Belgrad abströmenden Bevölkerung. Serben, Armenier und Österreicher sind 1739 nach Aufgabe dieser Stadt in der Batschka angesiedelt worden, doch der österreichische Erbfolgekrieg unterbrach neuerdings das Ansiedlungs-werk. Dazu kam, daß infolge der Auflösung der Theiß-Maroscher Militärgrenze ein großer Teil der serbischen Grenzer in slawonisches oder Banater Gebiet übertrat, wodurch das Theißufer auf der Batschkaer Seite den größten Teil seiner serbischen Bevölkerung verlor.

Es ist das Verdienst des Grafen Anton v. Grassalkovich, der 1748 an die Spitze der ungarischen Hofkammer trat, die Kolonisation der Batschka entscheidend vorangebracht zu haben. Dieser erste Abschnitt in der eigentlichen Ansiedlungs-geschichte, die theresianisdie Kolonisation, erstreckt sich bis etwa 1770. Der leitende Geist war Grassalkovich selber, der im Norden zwischen Donau und Theiß weite Latifundien erworben und besiedelt hatte, demnach über entsprechende praktische Erfahrungen verfügte. Durch planmäßige Bereisung der. für die Ansiedlung in Betracht kommenden Gebiete verschaffte er sich eine genaue Kenntnis der Lage und gestaltete danach sein Programm. Die Neusiedlung der Batschka sollte eine Steigerung der Getreideproduktion vor allen in den Ufergebieten bringen. Die . theresianischen Kriege waren ja eine Hochkonjunktur dafür. Das Innere des Landes sollte dagegen weiterhin der Viehzucht vorbehalten bleiben, auf die der gesteigerte Kriegsbedarf gleichfalls fördernd wirkte. Grassalkovich beabsichtigte in erster Linie Ungarn anzusiedeln, was auch im Osten der Batschka, der von den serbischen Grenzern verlassen worden war, zur Durchführung kam. Die wenigen verbliebenen Serben verschwanden in der Masse der Ungarn oder zogen in den kleinen Ort Sajkaski Sv. Ivan zusammen.

Noch heute herrscht im Osten das ungarische Element vor, die Nationalitätenverteilung ist einheitlicher als im Westen.

Im Westen, wo auf der Donau der Hauptverkehrs'.troni .vorbeiflutete, galt es vor allem, die Serbendörfer, welche die Sicherheit des Verkehrs durch räuberische Überfälle stark gefährdeten, ins Innere umzusiedeln. In den frei weidenden Gebieten wurden wieder in erster Linie Ungarn, ferner Slowaken, Kroaten und Ruthenen angesiedelt. Allein d:e Ansiedlung von Ungarn erfüllte diesmal nicht ihren Zweck, die Ansiedler ließen ihre Wirtschaften verfallen und verlegten sidi lieber auf den Fischfang, beziehungsweise landeinwärts auf Viehzucht. Dagegen hatten sich schon“ in der .transdanubischen Kolonisation Siedler aus Österreich und dem Reich ausgezeichnet bewährt. Grassalkovich, der von Haus aus eine gewisse Abneigung gegen sie zeigte, entsdiloß sich nun doch, auch in der

Batschka zu einer gesteigerten Ansiedlung deutscher Bauern. Schon 1729 hatte die ungarische Hofkammer in Czatalja, südlich Baja, deutsche Familien angesiedelt und vier Jahre später kam es zu einer privatherrschaftlichen Gründung einer deutschen Kolonie in der Südwestecke, in Novoselo. Als Zentrum der ersten staatlichen Ansiedlung deutscher Bauern wurde nunmehr 1749 Apatin angelegt und reichlich mit Handwerkern ausgestattet. In rascher Folge entstanden weitere deutsche Siedlungen: Bukin, Hodschag, Kolut, Filipovo, Prigrevica Sv. Ivan, Gakovo, Palanka, Gajdobra, Krnjaja, Karavukovo, Krusevlje usw. Anfang der siebziger Jahre nimmt die theresianisdie Periode in der Besiedlung der Batschka ihr Ende, der 1772 abgeschlossene erste Teilungsvertrag über Polen lenkt die Aufmerksamkeit der Regierung auf die Neubesiedlung Galiziens.

Die theresianische Kolonisation bringt ausschließlich Katholiken in die Batschka. Obwohl Protestanten mehrfach um die Erlaubnis zur Einwanderung baten, wurden sie ausnahmslos abgewiesen. Es kann auch keine Rede davon sein, daß durch eine Bevorzugung deutschsprachiger Kolonisten hier im Südosten der Monarchie eine deutsche Grenzmark gesdiaffen werden sollte, denn das- 18. Jahrhundert kennt noch nicht der: artige politisdie Zielsetzungen. Im Gegenteil. Grassalkovich hatte sogar, wie erwähnt, anfangs starken Widerwillen gegen eine Ansiedlung deutscher Bauern. Das zeigt deutlich ein Uberblick über das Gesamtergebnis. Von ungefähr 5000 Familien, die zur Ansiedlung kamen, entfielen rund 2000 auf Ungarn, 1500 auf Serben, etwa , 500 auf Slowaken, katholische Südslawen oder unierte Ruthenen und nur etwas über 1000 Familien waren deutschsprachig. Von diesen kam ein beträchtlicher Prozentsatz aus der alten Monarchie, aus Ungarn selbst oder den Alpenländern und Böhmen, die Hauptmasse allerdings aus den vorderösterreichischen Ländern und dem Reich. Insgesamt stammten von den in der Batschka Angesiedelten rund 95 Prozent aus den Ländern der alten Monarchie, so daß man das Ansiedlungswerk im Grunde genommen als B i n n e n k o 1 o n i s a t i o n bezeichnen kann.

Die zweite, josephinische Periode in der Ansiedlungsgeschichte der Batschka unterscheidet sich in mancherlei Hinsicht von der früheren. Sie umfaßt eine wesentlich kürzere Zeitspanne: 1784 bis 1787. Joseph II. hatte wiederholt die Batschka auf seinen Reisen kennengelernt, .so 1770, 1774 und 1777. Schon während der Regierung seiner Mutter nahm er Einfluß auf die Besiedlung der Batschka. Als überzeugter Physiokrat betrachtete er die Kolonisation in erster Linie vom volkswirtschaftlichen Standpunkt aus. Er legte bei seinen Plänen großen Wert darauf, lebensfähige und ertragreiche Siedlungen zu schaffen. Die Ansiedlungs-verträge und Bedingungen sind daher auch in beiden Phasen wesentlich verschieden. Joseph II. verfolgte keinerlei Ger-manisierungstendenzen, was dem Kaiser vor allem von der neueren ungarischen Geschichtsschreibung vorgeworfen worden ist. Der Vorwurf beruht auf einer Vorwegnahme moderner Ideen. Der absolutistische Staat hatte für völkische Fragen kein Verständnis. Richtig ist, daß in dieser zweiten Epoche eine bevorzugte Ansiedlung deutscher Kolonisten erfolgte, jedoch lediglich deshalb, weil man die besondere Eignung, den Fleiß und die Ausdauer der deutschen Bauern erkannt hatte. Vielleicht versprach man sich auch von einer Vermehrung des deutschen Elements eine Zunahme der deutschen Sprachkenntnisse und damit verwaltungstechnische Erleichterungen. Weiter ist die josephinische Kolonisation dadurch charak terisiert, daß nunmehr auch Protestanten zur Ansiedlung gelangten, wofür das am 21. Dezember 1781 für Ungarn verkündete Toleranzedikt die Grundlagen schuf.

Die josephinische Kolonisation erfaßte das. Binnenland, in das die theresianische Zeit — abgesehen etwa von dem an der Heeresstraße gelegenen ungarischen Topol ja — nicht vorgedrungen war. 1784 entstand hier als erste Siedlung Torscha, in der Folge einer der schönsten und reichsten Orte in der Batschka, 1785 T s c h e r-wenka, Neuwerbaß und Deutsch-P a 1 a n k a, 1786 Kleinker, Sekitsch, B u 1 k e s und die sich an bestehende Serbendörfer anlehnenden Neuschowe, Neusivatz, Veprovac, Parabuc, Srpski Miletic, StaniSic usw., schließlich 1787 Jarek, das seit Beendigung dieses Krieges für viele Schwaben in bitterster Erinnerung steht. Streng nach Konfessionen (Katholiken, Lutheraner und Reformierte) getrennt erfolgte hier die Ansiedlung der „Schwaben“, eine Bezeichnung, die für die josephinischen Kolonisten, die hauptsächlich aus der Pfalz, Rheinhessen und den vorderösterreichischen Ländern kamen, noch weniger zutrifft, als für die theresianisrhen. Daneben entstand jedoch auch eine Reihe von magyarischen

Dörfern, wie das 1782 angelegte F e k e t i c z.

Die Durchführung der Ansiedlung erforderte große' Zuschüsse von seiten des Staates. Die Urbarmachung des versumpften und verödeten Tieflandes war ja auch zunächst alles eher denn ermutigend. Aus offiziellen Akten über die Ansiedlung der Jahre 1784 bis 1786 geht hervor, daß in zwei Jahren nicht weniger als 13 Prozent der Eingewanderten dahinstarben. Für die neuen .Siedler in der Batschka galt also in vollem Maße der Spruch der Banater Schwaben:

Der Erste hat den Tod, Der Zweite hat die Not, Der Dritte erst das Brot. Und doch hat sich die Kolonisation der Batschka gelohnt, ein Werk von europäischer Bedeutung, für das die jetzigen Nachfolgestaaten Österreich dankbar sein müßten.

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