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DR. JOSEF MEIER/MITGESCHRIEBENE GESCHICHTE

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Er hat noch Dr. Iweger und Wiktor Adler, Thomas G. Masaryk und Alcide De Gasperi, Karl Kramaf und Pater Stojan im Wiener Reichsrat sprechen gehört, jener Hofrat Dr. Meier, der drei Jahre vor der Einführung des allgemeinen Wahlrechts den Beruf eines Parlamentsstenographen ergriffen hat und als solcher den Weg des Parlamentarismus in Österreich getreulich durch alle Höhen und Tiefen bis zur Gegenwart begleitet hat. Bei Ministerpräsident Dr. von Koerber beginnt, bei Bundeskanzler Raab schließt sich der Kreis für den verdienten Parlamentsbeamten, der in Kürze seinen 80. Geburtstag begeht.

Josef Meier, am 1. August 1883 auf der Wieden als Sohn eines Konditormeisters geboren, inskribierte nach der Matura an der juridischen Fakultät der Wiener Universität. Der junge Student trat bereits 1904, angeregt durch eine Stellenausschreibung, in den Parlamentsdienst ein. 1905 der Reichsratskorrespondenz zugeteilt, versah er bald bei allen wichtigen Debatten Dienst, an denen die letzten stürmischen Jahre der Monarchie freilich nicht arm waren. Gute Stenographen waren in der Zeit vor der Erfindung des Magnetophons immer gesucht, der junge Parlamentsstenograph hatte es also nicht schwer, einen gutbezahlten Posten für die Zeit der Parlamentsferien bei der „Neuen Freien Presse“ zu finden, wo er bald der bevorzugte Stenograph des großen Moritz Benedikt wurde.

1911 legte Josef Meier das letzte juridische Rigorosum ab und wurde, da die Anstellungserfordernis nun erfüllt war, als „k. u. k. Reichs-ratsstenograph“ pragmatisiert. Daß „eine Lese keine Rede“ ist, das wußten, erinnert sich Dr. Meier, die Abgeordneten von damals sehr wohl...

Der Ausbruch des ersten Weltkrieges und die Stillegung des Parlamentes machten die Stenographen entbehrlich. Dr. Meier wurde in die Radetzkykaserne zu den „Einserschützen“ eingezogen, wo er als Offiziersanwärter die drittbeste Kon-duite erhielt. Ein freundliches Schicksal bewahrte ihn allerdings davor, an die Front gehen zu müssen, und bei Einberufung des Parlaments 1917 versah Dr. Meier sofort wieder seinen Dienst im Reichsrat.

Die Novembertage 1918 sahen Dr. Meier als Stenographen der. konstituierenden Nationalversammlung, er hatte aber auch Dienst bei den Sitzungen des Soldatenrates.

Bei den für die Erste Republik wichtigen Sitzungen war Dr. Meier stets anwesend, er stenographierte für die Bundeskanzler Seipel, Dollfuß und Schuschnigg, dessen große Rede am 20. Februar 1938 er als Meisterstück staatsmännischer Redekunst bezeichnet.

Die neuen Machthaber, die das Parlament ins „Gauhaus“ verwandelten, pensionierten auch Dr. Meier nach dem „Wächter-Erlaß“. Die stark gekürzte Pension seiner Familie zur Verfügung stellend, lebte der politisch untragbar gewordene in einem einsamen Holzhaus bei Kritzendorf zurückgezogen, wo er sich mit Geflügel- und Kaninchenzucht seinen Lebensunterhalt sichern konnte.

Kaum war die Innenstadt Wiens freigekämpft, meldete sich Dr. Meier sofort zum Dienst bei der Regierung Renner. Über ein Jahr führte Dr. Meier die Ministerratsprotokolle, seine größte Leistung aber ist wohl der gänzliche Neuaufbau des Parlamentsstenographendienstes, der aus dem Nichts heraus durchgeführt werden mußte.

Dr. Meier, anläßlich seiner Versetzung in den dauernden Ruhestand 1953 mit dem Titel „Wirklicher Hofrat“ ausgezeichnet, hat vor allem dem letzten Ministerpräsidenten Österreich-Ungarns, Doktor Lammasch, ein treues Gedenken bewahrt. Jenem Lammasch, der mitten in den Greueln des Krieges die mutigen Worte gesprochen hat: „Es gibt kein göttliches und kein menschliches Interesse, das uns zur Fortsetzung dieses grauenhaften Krieges zwingt.“

Daß eine Ausstellung seiner Bilder mit großem Erfolg in Wien gezeigt wurde, das erwähnt der malende Hofrat nur nebenbei — in seiner Bescheidenheit nicht unähnlich einem anderen Hofrat, der sich der Dichtkunst verschrieben hatte, ohne deshalb ein Sonntagsdichter zu sein;. Franz Grillparzer.

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