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Esterhazys Glück und... ?

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Das östlichste und jüngste Bundesland Österreichs wird zur Zeit von einer Krise heimgesucht, die mit der geschichtlichen und psychologischen Tragik des letzten Nachfahrens eines stolzen Geschlechtes des westungarischen Raumes im Zusammenhang steht. Die Spuren dieses Geschlechtes sind im Burgenland auf Schritt und Tritt zu finden. Dieser Nachfahre des Geschlechtes der Esterhazy ist Dr. Paul Esterhazy.

Schlösser und Burgen blieben

Die Esterhazys waren nicht irgendwelche Adelige oder Großgrundbesitzer im westungarischen Raum gewesen. Sie waren Landesherren und hatten eine wichtige öffentliche Funktion zu erfüllen. Ihr Besitz, der nicht mit dem Besitz anderer ungarischer Magnaten oder österreichischer Fürsten verglichen werden kann, war das ökonomische Fundament zur Erfüllung der ihnen gestellten kirchlichen, kulturellen, wirtschaftlichen, sozialen, militärischen und administrativen Aufgaben. Mit dem Ende der Feudalherrschaft und besonders seit dem Anschluß des Burgenlandes an Österreich ist ihre öffentliche Funktion in diesem Grenzraum erloschen.

Geblieben sind den Nachfahren die Schlösser und Burgen, von denen aus einstens die Esterhazys ihre öffentliche Funktion erfüllten; geblieben sind die riesigen' Besitzungen, die einstens zur Deckung jener Auslagen verliehen wurden, die die Gesellschafts-, Kultur-, Sozial- und Ordnungsfunktion verursachten. Damit soll nicht einer zwangsweisen Enteignung des Esterhäzy-Besitzes das Wort geredet, sondern in erster Linie auf den geschichtsbedmgten öffentliehkeitsbezug dieses Eigentums hingewiesen werden.

Das Schloß in Eisenstadt ist nicht eines unter den vielen Schlössern und Kastellen im Burgenland. Es ist ein historisch bedeutsames Bauwerk für das Burgenland, weil hier einmal die Landesherren für das Gebiet des heutigen Burgenlandes ihre Residenzrechte ausübten, das Land regierten und kulturelle Initiative entfalteten. Seit Jahrhunderten standen die Schlosser und Burgen Esterhazys im Dienst der Kultur und des kulturellen . Gemeinwohls des Volkes.

Ohne die Geschichte der Esterhazys wäre das Burgenland ohne großen Zeugen der sakralen und säkularen Baukunst. Das Schicksal der Bevölkerung des Landes war Jahrhunderte hindurch mit dem Geschlecht der Esterhazy verbunden. Ihre Sicherheit und ihr religiöses Leben waren gerade in Zeiten des Krieges und der Einfälle aus dem Osten vom Hause Esterhazy abhängig. Es ist daher geschmacklos, das Geschlecht der Esterhazy lächerlich zu machen und herabzusetzen, wie das leider geschehen ist.

Österreich und dem Burgenland dankverpflichtet

Während Dr. Paul Esterhazy in Ungarn vollständig enteignet wurde, hat ihm der demokratische Rechtsstaat Österreich seine Besitzungen erhalten. Einst hatten die Esterhazys den Anschluß des Burgenlandes an Österreich vereiteln wollen. Hätten sie ihren Willen bei den Siegermächten durchgesetzt, würde Doktor Paul Esterhazy heute in der Schweiz nicht von burgenländischen Besitzungen leben können. Anderseits darf Dr. Paul Esterhazy nicht vergessen, daß er über Initiative von Burgenländern aus dem kommunistischen Kerker befreit wurde. Dem Burgenland verdankt er es, daß er als freier Mensch leben kann. Niemand im Burgenland denkt daran, Dr. Paul Esterhazy zwangsweise und total zu enteignen. Niemand will ihm den Raum nehmen, den das Eigentum ermöglicht, damit der Mensch seine persönliche und familiäre Selbständigkeit entfalten kann.

Das Burgenland bleibt dem Geschlecht der Esterhazy verbunden, mag es dies auch in der gegebenen Situation nicht wahrhaben wollen. Der Ärger über Dr. Paul Esterhazy spielt dabei eine große Rolle. Niemand kann aber den Namen „Esterhazy“ aus der Geschichte des Burgenlandes ausmerzen, auch dann nicht, wenn der jetzige Nachfahre des ruhmreichen Geschlechtes das Land, sein Volk und seine Regierung so behandelt, als ob er diesem Land

gegenüber keine Verpflichtungen hätte. Wie die Österreicher das Geschlecht der Habsburger wegen des Versagens des einen oder anderen Repräsentanten nicht verachten dürfen, so können die Burgenländer wegen des unverständlichen Verhaltens des Dr. Paul Esterhazy nicht das ganze Geschlecht der Esterhazy verdammen. Geschichtliche Bindungen kann man nicht aufkündigen, wie man einen Pachtvertrag kündigt.

Das augenblickliche Verhältnis zwischen Dr. Paul Esterhazy, der in Zürich wohnt, und dem Burgenland ist tief bedauerlich. Es hätte nicht so weit kommen dürfen. Eine Verbesserung des Klimas ist dringend notwendig. Längeres Zuwarten würde Fahrlässigkeit bedeuten. In einigen Monaten — es gilt, an den bevorstehenden Wahlkampf zu denken — kann die Situation so explosiv sein, daß kein Dialog mehr möglich ist.

Dr. Paul Esterhazy sollte die

Initiative zum Gespräch mit den legitimen Vertretern des burgen-ländischen Volkes seitost ergreifen. Von den beiden Regierungsparteien muß in diesem Zusammenhang verlangt werden, daß sie ihre Kampagne gegen Dr. Paul Esterhäzy einstellen und so ein sachliches Klima für einen Dialog schaffen. Dr. Paul Esterhäzy wird Verständnis. dafür aufzubringen haben, daß die verschiedenen Kulturbauten seines Geschlechtes im Burgenland keine privaten Wochenendhäuser sind, über die er willkürlich verfügen kann. Sie sind Zeugen der Kultur dieses Grenzlandes und haben damit eminenten Öffentlichkeitsbezug, den Dr. Esterhazy nicht annullieren darf.

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