6791813-1970_42_08.jpg
Digital In Arbeit

„Katzen“ gegen Terroristen

Werbung
Werbung
Werbung

Das Kidnapping des britischen Diplomaten James Richard Cross (49) aus seiner Montrealer Villa ist vorläufiger Höhepunkt einer Terrorwelle, mit der die separatistische Front de Liberation Quebecois 1964 begann. Nachdem sie bisher mit Morden, Bombenexplosionen,

Brandstiftungen und Überfällen operierte, versucht sie jetzt durch Menschenraub die Weltöffentlichkeit auf die Lage in Quebec (80 Prozent der Bevölkerung sind französischer Abstammung) aufmerksam zu machen und gleichzeitig die Entlassung von 21 eingekerkerten Terroristen nebst Zahlung von 500.000 Dollar in Goldbarren als Gegenleistung für die

Freilassung des Diplomaten zu erreichen.

Der Vorfall ist nur ein Symptom der Gärung in Quebec, die immer wieder Kanadas größte Provinz erschüttert. Während einerseits die demokratische Seperaitistienbewegung anscheinend immer noch an Terrain gewinnt (bei den Aprilwahlen eroberte die separatistische Parti Quebecois unter Führung des liberalen Exministers Ren6 Levesque fast ein Viertel der Stimmen), treten anderseits Persönlichkeiten wie Mario Beaulieu (bis vor wenigen Monaten noch Finanzminister Quebecs) für einen Anschluß an die USA ein. Montreal gilt als Hochburg der Separatisten. Aber auch zu sozialen Unruhen kommt es oft. Vor einem Jahr streikte, beispielsweise, die Polizei von Montreal, wobei Polizisten Autos der Gendarmerie umstürzten und streikuniustige Beamte mit vorgehaltener Waffe von ihren Posten entfernten. Im Frühjahr begannen dia Postchauffeure, mit geänderten Arbeitsverhältnissen unzufrieden, mit der Beschädigung der Fahrzeuge und Briefkästen. Daß eine Bombenexplosion im Vorjahr auch das Haus von Jean Drapeau, des Bürgermeisters von Montreal, schwer beschädigte, sei nur nebenbei erwähnt. Zu den eingekerkerten Terroristen, deren Freilassung die F. L. Q. fordert, gehören Frangois Schirm (38), ein in Unigarn geborener Veteran der französischen Fremdenlegion, der wegen der Erschießung des Geschäftsführers , einer Montrealer Waffenhandlung zu einer lebenslangen Kerkerstrafe verurteilt wurde, und Pierre-Paul Geofüroy (26), ein ehemaliger Student, wegen der Bombenexplosion in der Montrealer Börse und anderer Delikte gleichfalls zu einer Kerkerstrafe auf Lebenszeit verurteilt. Nach der Bombenwelle des Jahres 1964 wurde von der Royal Canadian Mounted Police, der Gendarmerie Quebecs und der Montrealer Polizei gemeinsam eine Einheit geschaffen, die den Namen Combined Anti-Terrorist Squad (kurz: CATS) erhielt. Einer der dramatischesten Erfolge der „CATS“ (Auch: „Katzen“) war der Raid in einem Landhaus bei Prevost, unweit von Montreal, im Juni. Dort fanden die Katzen 300 Pfund Sprengmittel, fast 30.000 Dollar — vermutlich von einem Bankraub — und gedruckte Aufrufe, die (fälschlich) ankündigten, Harrison Burges, Amerikas Generalkonsul in Kanada, sei „in die Hände der F. L. Q. gefallen.“ Das blitzschnelle Zugreifen der Polizei führte zur Verhaftung des Taxi-chauffeurs Andre Roy (23), vordem Studentenführer der Universität Montreal, und zweier Gefährten. Ein „Manifest“ der F. L. Q., nach dem Kidnapping des britischen Diplomaten veröffentlicht, grüßt die Rebellen anderer Länder und fordert für die eingekerkerten Quebecer Terroristen freies Geleit nach Kuba oder Algier. Mittlerweile stellte Außenminister Mitchell Sharp alle ausländischen Diplomaten in Kanada unter verstärkten Schutz. Gleichzeitig erfährt die Öffentlichkeit von wiederholten Drohungen der Separatisten. Da die F. L. Q. vor Morden nicht zurückschreckt, wird mit weiteren Gewaltakten gerechnet, wenn es der Polizei nicht gelingt, die Terroristenorganisationen auffliegen zu lassen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung