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Splitter im Meer

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Wer in Südamerika lebt, wundert Obwohl ihre Wirtschaftseinheiten sich immer wieder über die unzähligen Einwanderergruppen, deren politisches und gesellschaftliches Schicksal sie zu einer sehr verschiedenartigen Assimilation führt. Eines der interessantesten Beispiele für den jahrhundertelangen Bestand kleiner und oft isolierter Gruppen bilden die Mennoniten, von denen vor 20 Jahren an Bord des holländischen Dampfers „Volendam“ 1578 Auswanderer in Montevideo ankamen. Etwa 800 kamen aus Rußland und fuhren nach Paraguay weiter, wo große Mennonitensiedlungen seit 1927 bestehen. Über 500 Danziger Mennoniten und etwa 200 aus Polen blieben in Uruguay. In den folgenden Jahren kamen einige hundert hinzu.

Keine Wehrpflicht!

Die Vorfahren der Mennoniten aus Rußland waren 1789 aus Westpreußen dorthin ausgewandert. Obwohl sie fast 200 Jahre lang nicht mehr deutschen Boden betreten haben, korrespondieren die Mennoniten aus Kanada und Brasilien mit denen in Mexiko und Paraguay in deutscher Sprache. Während die paraguayische Regierung den mennonitischen Einwanderern ausdrücklich Wehrfreiheit zugesichert hat — die erste Bedingung, die sie für ihre Niederlassung stellten —, bedurfte es in Uruguay keiner solchen Erklärung, weil die allgemeine Wehrpflicht de facto nicht besteht. Sie leben vor allem in den drei Siedlungen „El Ombü“ (300 km.von Montevideo), „Gartental“ (350 km) und „Delta“ (100 km von Montevideo). Ihre Haupteinnahmequellen sind hauptsächlich Farmbetriebe, vor allem Milchwirtschaft und Schweinezucht.

von zum Teil nur 30 Hektar für jede andere Siedlergruppe untragbar klein wären, reichen sie für alle, weil sie in einer Kooperative arbeiten, die zum Beispiel Butter, Käse und Eier verkauft und alle nötigen Anschaffungen gemeinsam tätigt. Dadurch stehen ihnen Traktoren und Lastwagen zur Verfügung. Obwohl sie zum Teil Deutschland nur aus kurzen Aufenthalten in Internierungslagern kennen, fühlen sie sich als Deutsche. Ihre Lehrer kommen aus einem Seminar, das in Paraguay besteht. Sie unterhalten in den Siedlungen eigene Schulen. In den ersten vier Schuljahren wird überwiegend Deutsch und in den zweiten vier überwiegend Spanisch unterrichtet. Ihre Zahl bleibt bei etwa 1500. Zwar ist etwa ein Drittel auch der ersten Generation nach Kanada weiter oder nach Deutschland zurückgewandert, aber abgesehen von den Geburten gibt es einen Zustrom aus Paraguay. In ihrer Freikirche wirken Laienprediger. Einer von ihnen ist ein Journalist: Gustav E. Reimer, der Herausgeber der in Uruguay erscheinenden deutschsprachigen Zeitung „La Plata-Post“.

Sie bilden eine relativ' progressiv eingestellte Gruppe unter den Mennoniten: Sie heiraten nicht ausschließlich untereinander, trinken eine Mischung von „Cafia“ (einen Zuckerrohrschnaps) und Coca-Cola, die sie „Avion" („Flugzeug“) nennen, rauchen und tanzen.

1500 Menschen unter etwa einer halben Million Mennoniten in der Welt bewahren in Uruguay das Erbe des vor 400 Jahren verstorbenen Menno Simons, der die Kindertaufe, den Wehrdienst, den Eid und die Ehescheidung verbot.

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