Zickenkampf im Weisheitstempel

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"Der geduldige Sokrates" von Telemann: René Jacobs wendet sich bei den Innsbrucker Festwochen wieder der Barockoper zu.

Telemanns Der geduldige Sokrates ist keine Ausgrabung, erhält aber in René Jacobs Interpretation eine neue Bedeutung. Jacobs kristalliert mit der brillanten Akademie für Alte Musik Berlin die Oper von 1721 über den griechischen Philosophen mit den zwei Ehefrauen im Zickenkampf zum Brennpunkt.

Die musikalische Dramaturgie verweist auf die venezianische Komödie, einzelne Arien führen zu Telemanns Zeitgenossen Bach und Händel (Johannespassion und Julius Cäsar). Erstaunlich die Blicke in die Zukunft: Eine Tenorarie, die zum "Streite" ruft, parodiert die barocke Kampfesarie, assoziiert aber auch Pedrillos Kampfesruf aus Mozarts Entführung. In den beiden Prinzessinnen der Nebenhandlung blitzen die Schwestern aus Cosí fan tutte auf. Vielfach offenbaren sich hier komödiantisch zeitübergreifende Topoi auch im rein Musikalischen.

Das alles ist werkimmanent oftmals spannender als in der weit mehr als vier Stunden dauernden Aufführung mit ihren vielen Wiederholungen. Nigel Lowery (Regie, Bühne, Kostüme) und Amir Hosseinpour (Regie, Choreographie) reagieren parodistisch genau auf musikalische Impulse, Schauspiel verschmilzt mit Choreographie, und daraus wird eine bis ins Filmische aufgelöste Sitcom.

Das hat amüsante Momente und Leerlauf. Die Regie betont das duale Prinzip der Oper, zwei Frauen, zwei Prinzessinnen, zwei Prinzen. Die beiden Ladies treten im Stewardessenlook auf mit dem typischen Bewegungsritual der Arme und Hände. Der Gag wird in eine Gebärdensprache erweitert und dann überzogen. Beim Adonisfest jedoch wächst den Bewegungen multikulturelle Bedeutung zu.

Gesungen wird auf hohem Niveau. Marcos Fink ist der wohltönende Sokrates mit genauem Maß zwischen weiser Gelassenheit und Tragikomik. Geradezu virtuos seine Xantippe Inga Kalna mit Kristina Hansson als Gegenspielerin Amitta. Die Prinzessinnen klingen durch die Silberkehlen von Sunhae Im und Brigitte Christensen, die Prinzen sind mit dem Tenor Donát Havár und dem Countertenor Matthias Rexroth luxuriös besetzt, sonor Maarten Koningsberger (Nicia) und Alexey Kudrya (Aristophanes), als schwäbischer Hanswurst in Lederhosen der Pitho des Daniel Jenz.

Bei der Premiere Jubel für Jacobs und die Sänger, Buhrufe für die Regisseure. Ursula Strohal

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