Die Familie, ein profitgieriges Unternehmen

Werbung
Werbung
Werbung

Mit der Wirtschaft soll man nicht wetten, denn im Falle des Verlustes wird die Niederlage zu teuer. Aber wenn von den heutzutage gängigen und auch berechtigten Forderungen nach Flexibilität, nach universeller Einsatzbereitschaft bis zur Beherrschung mehrerer Berufe, nach der Fähigkeit zum raschen Umstieg in unterschiedliche Aufgaben für Arbeitnehmer die Rede ist, so getraue ich mich voll auf ein Wett-Risiko einzulassen. Die Wett-Frage soll lauten: Wer beherrscht am besten die meisten Berufe und übt sie in täglicher Flexibilität aus? Ich wette auf Hausfrau-Mutter. Die Doppelbezeichnung ist wichtig. Eine Hausfrau, die nicht Mutter ist, übt zwar auch einige Berufe flexibel aus, aber die totale Herausforderung ist nicht mit der Hausfrau-Mutter zu vergleichen. Eine Mutter andererseits, die ihren Haushalt nicht selbst führt, mag eine bewundernswerte Power- und Karrierefrau sein, aber den Flexibilitäts-Rekord stellt sie nicht auf.

Es kommt bei der Auflistung der Berufe auf präzise unterschiedliche Bezeichnungen an, damit dargestellt ist, daß jede der flexiblen Tätigkeiten eigene Bildung, Erfahrung und Qualifikation beanspruchen kann. Der in der Praxis fließende Übergang ist daher aufzuhellen. Die Hausfrau-Mutter ist: Köchin, Kellnerin, Krankenschwester, Kindermädchen, Erzieherin, Ernährungsberaterin, Finanzexpertin, Chauffeuse, Gärtnerin, Tierpflegerin, Psychologin, Nachhilfelehrerin, Fahrradkurier, Sekretärin, Wirtschafterin, Raumpflegerin, Kleinbetriebs-Managerin und Informatikerin.

Neben diesen mitunter gleichzeitig ausgeübten und im flexiblen Wechsel stets überschauten Hauptberufen hat die Hausfrau-Mutter noch einen mitunter anstrengenden Nebenjob. Sie ist nämlich auch Gattin eines Mannes, der in pflicht- und gesetzeskonformer Partnerschaft Hilfsdienste in den oben erwähnten Berufen zu leisten verspricht und einzuhalten bemüht ist. Aber wie das heutzutage schon ist mit bloß angelernten, gutwilligen aber doch eher als Pfusch zu bezeichnenden Dienstleistungen: der Hilfsarbeiter bedarf der ständigen Aufsicht und Anleitung, neigt bei zu geringer Überwachung zur Trödlerei und verursacht bei mangelnder Kenntnis sogar Schäden, welche zusätzlichen Einsatz der Hausfrau-Mutter erfordern. Es kommt daher zu den aufgezählten Berufen der Hausfrau-Mutter noch die Qualifikation als Überwachungsorgan hinzu. Dies gilt in noch höherem Maße für kindliche Hilfsdienste, die Handreichungen von Groß- und Schwiegermüttern und alle jene, die ihren Einsatz zwar hoch schätzen, jedoch keine Gesamtverantwortung tragen.

Womit das Lob der Hausfrau-Mutter sich geradezu aufdrängt, jedoch in etwas peinlicher Unverbindlichkeit verbleibt, wenn es nicht auch einmal quantifiziert wird. Die umständlichen Berechnungen und Umrechnungen wurden schon mehrfach angestellt, zuletzt diesmal vom US-Forschungsdienst für Finanzdienstleistungen. Die amerikanischen Rechner kommen auf 6,5 Millionen Schilling jährlich.

Was bleibt übrig?

Der Wert einer Sache oder Leistung, so lehrt die Volkswirtschaft, ist nicht identisch mit ihrem Preis. Aber so eklatant wie bei der Hausfrau-Mutter ist die Differenz nicht einmal bei der waghalsigsten Spekulation. Nicht der wildeste Marxist kann sich eine Mehrwert-Abschöpfung vorstellen, bei der von 6,5 Millionen zum Schluß nur ein paar Tausend Schilling überbleiben. So profitgierig ist das Unternehmen Familie mit der Hausfrau-Mutter. Da mögen die wackeren Familienväter unter dem Sachzwang der Verhältnisse ihre leeren Taschen noch so demonstrativ umdrehen. Bezahlt wird letztlich in einer Währung, die nicht auf Erden geprägt wird, in Liebe und Anerkennung, wenn es denn geschieht. Aber weil ich im Laufe eines Familienlebens in solcher Schuld bei der Hausfrau-Mutter stehe, erwäge ich die eingangs erwähnte Wette mit der Wirtschaft mit dem hohen Risiko und der Gewißheit des Gewinns.

Die Finanzexpertin (Beruf Nr. 7) lächelt ob des Hasardspiels zu meiner teilweisen Entschuldung. Sie weiß längst Bescheid und widmet sich multifunktional und flexibel ihren aktuellen Aufgaben. Und sie vermutet, wie ich vermute, daß meine Rechnereien nur ein Ablenkungsmanöver von den heute anstehenden Hilfsdiensten sind.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung