7030661-1989_29_06.jpg
Digital In Arbeit

Hausfrauen erbringen Drittel aller Leistungen

Werbung
Werbung
Werbung

Die Hausfrau, in unserem heutigenVerständnisgesehen, ist erst eine “Erfindung“ der letzten beiden Jahrhunderte. Durch die Industrialisierung und das aufstrebende Bürgertum entstand die Daseinsform der Hausfrau, die sich ausschließlich um ihre Familie und um ihren Haushalt kümmerte.

In früheren Jahrhunderten gab es keine Entsprechung zur heutigen Hausfrau: In der vorindustriellen Zeit arbeitete die gesamte Familie, das “ganze Haus", für das gemeinsame Überleben. Arbeitsplatz und Wohnstätte waren eine Einheit. Im 18/19. Jahrhundert erfolgte nun die Polarisierung: Der Mann ging der außerhäuslichen, “produktiven“ Erwerbsarbeit nach, während die Frau im Haus “reproduzierte“, das heißt, sie sorgte für das psychische und physische Wohl ihrer Familie.

Die Zäsur erfolgte nach dem ersten Weltkrieg, als krisenbedingte Nöte die Dienstmädchen zu Fabrikarbeiterinnen machten und die Hausfrau fortan ihren Haushalt selbst besorgen mußte. Rationalisierungsmaßnahmen sollten die Hausarbeit erleichtern, sorgten aber zugleich für ein Anheben des Standards, wodurch der erforderliche Zeitaufwand unverändert blieb. Lediglich die physische Anstrengung verringerte sich.

Nach einer anfänglichen Restauration der traditionellen Werte nach dem zweiten Weltkrieg trat der Wandel in der Situation der Hausfrau ein: Die verlängerte Lebenserwartung, die geringere Kinderzahl und die zunehmende Attraktivität der Berufstätigkeit auf der einen Seite, technische und medizinische Fortschritte auf der anderen bewirkten eine Änderung derEinstellungen. Die Hausfrauverlor Sozialprestige, eine Tatsache, mit der sie heute noch in zunehmendem Maße konfrontiert ist.

Betrachtet man den Alltag und das Zeitbudget dermodemen, nichterwerbstätigen Hausfrau, so kann man feststellen, daß ihr Tätigkeitsbereich umfassend ist. Kinderpflege, -betreuung und -erzie- hung stellen einen bedeutenden Faktor ihres Alltags dar. Mit steigender Kinderzahl wächst die Belastung der Mutter, je jünger die Kinder sind, desto intensiver werden mütterliche Zeit und Kraft benötigt

Ein weiterer Bestimmungsfaktor im Leben der Hausfrau ist die Hausarbeit, die mit gewissen Vorheben und Abneigungen durchsetzt ist So nimmt das Kochen in der Bėliebt- heitsskala einen Platz ganz vorne ein, während dem Putzen oder Bügeln weniger Sympathien entgegengebracht werden.

Die wöchentliche Arbeitsbelastung der Hausfrau beträgt im Durchschnitt 60 Stunden. Davon fallen auf die Hausarbeitmehr als 50 Stunden, 20 Stunden braucht die Kinderbetreuung. Da sich manche dieser Tätigkeiten überschneiden, kommt man auf eine Gesamtdauer von 60 Stunden.

Ihre Freizeit nützt die Hausfrau vornehmlich für Tätigkeiten, die wiederum Haushaltscharakter haben: Handarbeit, Pflege des Gartens… Sie bleibt auch meist in ihrer Freizeit, die nicht so scharf von ihrer Arbeitszeit abzutrennen ist, im häuslichen Funktionsbereich.

Was ist die Hausfrauenarbeit wert? Der volkswirtschaftliche Wert wird an sich nicht berechnet. Versucht man aber eine Aufschlüsselung, so kommt man zu dem Ergebnis, daß der Geldwert der unbezahlten Hausarbeit bei rund einem Drittel des Bruttoin landsproduktes liegt.

Die Hausfrau sieht ihr eigenesBild ambivalent. Sie ist Hausfrau geworden, um ihre Familie zu versorgen. Sie ist im großen und ganzen zufrieden, doch einige Probleme tauchen auf. Vor allem solange die Kinder klein sind, fehlt ihr der erwachsene Gesprächspartner und sie fühlt sich isoliert. Die Eintönigkeit ihrer Are beitsaufgaben stört sie, ebenso die Unsichtbarkeit der Ergebnisse.

Wenn sie älter wird, und die Kire der ihrer nicht mehr in dem gewohnten Maße bedürfen, macht sich die auftretende Leere in dem sogenannten “Leeres-Nest-Syndrom" bemerkbar. Es kann in der Folge zu gesundheitlichen Störungen kommen, wenn sich die Hausfrau nicht ein neues Aufgabengebiet sucht.

Die rechtliche Situation der Hausfrau ist in mehreren Bereichen reformbedürftig. Im Sozial-, Pensionsund Unfallversicherungsrecht wird der Hausfrau nur unzureichend gedacht, ebenso im Falle einer Scheidung. “Die Armut ist weiblich“, ist in diesem Sinne ein durchaus zutreffendes Schlagwort.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung