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Wenn die Hausfrauen Feste feiern

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Marie, ich bitt Sie auf Knien ...“ Diese erste Zeile des Weinheber-Gedichts „Die Hausfrau und das Mädchen“ weist darauf hin, daß selbst in der guten alten Zeit der Hausfrau, obwohl sie über eine Marie verfügte, die Plage nicht erspart blieb. Inzwischen haben effektive Geräte von hoher Verläßlichkeit die Stelle des nützlichen, dienstbaren und zuweilen nervenaufreibenden Mädchens eingenommen. Die Haushaltsführung ist einfacher geworden, man kocht nicht mehr so kompliziert, und Einladungen zum Abendessen sind keine Leistungsprüfung in Hauswirtschaft mehr. Frauen suchen heute ihre Erfolge auf anderen Gebieten, haben anderes zu tun, nehmen anderes wichtig.

Und dennoch: Feiertage kommen, und ihre vorausgeworfenen Schatten verdüstern die Hausfrauen. Die alte Rolle zeigt ihre Macht. Sie mußte so lange getragen werden, daß sie ihren Trägerinnen stellenweise an die Haut gewachsen ist. Deshalb wird sie als Zwang erlebt, besonders zu den heiligen Zeiten. Ein Festtag, ungezwungen und heiter aus Gewohntem und Spontanem gefügt, kann da nicht leicht entstehen.

Ostervorbereitungen: Aus den Erinnerungen an die Kindheit taucht der strenge saubere Geruch von Bodenwachs und der aggressiv metallische von Messing-und Silberputzmitteln auf. Dann schwebt der aus Luft und klarem Wasser köstlich gemischte Duft der frisch gewaschenen Vorhänge herbei. Dann ergießen sich Kaskaden kühler Frühlingsluft durch die geöffneten Fenster und durchspülen alle Winkel und Fugen der Wohnung - ein letztes Winteraustreiben. Der Erneuerung geht das Derangement bevor, ein Intermezzo der aufgehobenen Ordnung. Das Ziel dieser Exzesse der Hausarbeit, Gründlichmachen genannt, ist Festesglanz. So wül es die Tradition, das Brauchtum, die Jahreszeit.

Wenn nach langem Winter das Vorfrühlingslicht in seiner unerbittlichen Helligkeit jedes Staubkörnchen mit einem schweren Schlagschatten versieht, werden die Hausfrauen unruhig. Das Fest stellt seine ästhetischen Rahmenbedingungen. Aber mit den Vorbereitungen ist es nicht getan. Es gut eine Reihe schöner Tage möglich zu machen. Die Hausfrau fühlt sich dafür verantwortlich. Und so hetzt sie wie Aschenputtel hin und her zwischen Asche fegen, Erbsen auslösen und goldenen Schuhen, angestrengt vom schlechten Gewissen, nichts davon wirklich gut zu machen und vom Widerstand gegen die Müdigkeit und die Banalität.

Seitdem die Männer nicht mehr allein zuständig sind für das Finanzieren des Haushalts, sollten die Frauen es nicht für sein Funktionieren sein. Aber solche Aufrechnungen haben wenig Sinn. Man soll ändern, was einem nicht gefällt. Läßt sich eine Rolle nicht ablegen, kann man sie jedenfalls neu interpretieren. Leidet man an Konventionen, sollte man es mit Improvisationen versuchen. Feste feiern ist ein Talent, mit dem man geboren wird, aber es läßt sich auch lernen. Phantasie ist sehr hüfreich dabei. Es widerspricht dem Wesen des Festes, daß es die einen bereiten und die anderen konsumieren. Es verlangt Gemeinschaft. Vieles, was allein ausgeführt nichts als Arbeit ist, bekommt in der Gemeinschaft eine besondere Fröhlichkeit. Gespräch und Beisammensein — ob man dabei das Familiensilber putzt oder Ostereier bemalt oder ein Festtagsessen zubereitet: Die Vorbereitungen sind das Vorfest.

Nun haben aber leider die meisten Wohnungen, auch die großen, winzige Küchen: soziale Räume, Sinnbilder der Isolation der Hausfrau. Unter dem Vorwand, ihr Schritte zu ersparen, verhindern die Architekten familiäre Mithilfe und Geselligkeit. Die Dimensionen dieses Raumes, der für die Hausfrau der wichtigste ist, illustrieren den gesellschaftlichen Wert ihrer Arbeit. Dermaßen eingeengt sind daher auch die Möglichkeiten der Frauen, die Gestaltung der Feiertage in Richtung Partnerschaftlichkeit zu reformieren. Da ist es nicht erstaunlich, wenn so viele eine Reise vorziehen, schon aus verständlicher Klaustrophobie.

Aber: Es wäre schade um das häusliche Fest, um den Osterspa-ziergang in der gewohnten Landschaft, schade um die Freude am Zuhause, an der Familie, an den Freunden, schade um die versäumte Gelegenheit, sich endlich auszuruhen. Nicht nur Nichtstun, auch anderes in Geselligkeit tun kann Ausruhen sein. Ein wenig geschwisterliche Liebe, das ist kein Gebot, sondern Lebensqualität.

Wenn es der Hausfrau nicht gelingt, diese einfache Formel in die Tat umzusetzen und ihre Famüie dafür zu gewinnen, bleibt ihr noch die Möglichkeit, ihre Feiertagsplagen wie eine komplizierte Bruchrechnung so lange zu kürzen, bis der einfachste Nenner gefunden ist. Das Fest wird dann gefeiert in der Ästhetik der Einfachheit. Vielleicht wirkt das als Anregung auf die durch Uberfluß zum Überdruß herabgekommenen Mitmenschen.

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