Prag im Lockdown - Tomáš Sedláčeks Heimatstadt macht seltene Einsamkeits­erfahrungen. Und könnte daraus sogar ein wenig mehr Selbstgefühl entwickeln, meint der Ökonom. - © Foto: APA / AFP / Michal Cizek

Corona: Die Entgleisung in die Stille

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Warum wir die bald zu Ende gehende Quarantäne als Chance betrachten sollten, die wir uns nicht entgehen lassen sollten. Eine Ermutigung.

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Warum wir die bald zu Ende gehende Quarantäne als Chance betrachten sollten, die wir uns nicht entgehen lassen sollten. Eine Ermutigung.

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„Vergiss deine Artikel, das ist die ­Apokalypse“, sagte ein Freund zu mir, als die Krise um Corona­ begann. Es war ein Mittwochnachmittag, und ich konnte schon fühlen, wie die Stadt sich in Stille hüllte. Ich konnte spüren, dass der „Rush“ zu einem Ende gekommen war. Es ist eigent­lich unvorstellbar – dass die ganze Gesellschaft wie mit dem Wink eines Zauberstabes in einen leicht post-apokalyptischen Modus und jeder Einzelne in eine Art Selbst-Austerität fällt. Unabschätzbare ökonomische Konsequenzen werden in beinahe allen Artikeln beschworen, und das ist kein Wunder, denn dergleichen hat es zu unseren Lebzeiten noch nicht gegeben – wenn es einen solchen globalen Stillstand je gegeben hat.

Wir sollten also Vorteile aus einer Situation ziehen, an der man ohnehin nicht sehr viel ändern kann. Ich persönlich begann mit der Planung eines Streifzuges durch meine Heimatstadt Prag. Ich war ja plötzlich wie ein einsamer Tourist in einer touristenfreien Stadt, sowohl auf dem Alten Stadtplatz als auch auf der alten Königsroute. Ich ging sogar bis zum Wenzelsplatz und auf dem Rückweg über die leere Karlsbrücke. Es war ein Genuss. Ich habe einen „fest geschlossenen“ Abend in Prag erlebt, ohne lebhafte Bars und dröhnende Theater, ohne den Geruch von Popcorn, der aus den Kinos strömt. Ökonomische Grundstimmung: Die Welt schrumpfte und schrumpft in diesen Tagen auf eine Art „notwendiges Minimum“.

Die Einstellung

Lassen Sie uns das Ganze weiter von dieser positiven Seite aus betrachten. Die Welt befindet sich im Sabbat. Städte werden ruhig. Völker pausieren, und sie finden auch ein wenig zu sich zurück, zu ihren eigenen Dimensionen. Bald werden wir Prager vermutlich die Touristen vermissen – und zwar sobald wir erkennen, wie leer die Stadt ohne sie wirklich ist. Das Problem der Bedrohungen von ­außen und der Stilllegung von Flug­routen aus China wird sich von selbst lösen.

Nach ein paar Wochen der Selbstbeschränkung könnten wir sogar wieder Geschmack an der Globalisierung finden. Ihre Vorteile waren so selbstverständlich, dass wir sie beinahe vergessen haben. Und am allerwichtigsten: Wir haben nun verpflichtend Zeit für unsere Kinder und nächsten Angehörigen. Das ist ein Sprung in frühere Zeiten.

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