elementar - © Foto: iStock/carlosgaw

Gefährlicher Personalmangel im Kindergarten

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In den österreichischen Kindergärten arbeiten zu wenige Pädagoginnen mit zu vielen Kindern. Das gefährdet das Kindeswohl und verschlechtert spätere Bildungsbiografien. Ein Portrait einer Pädagogin.

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In den österreichischen Kindergärten arbeiten zu wenige Pädagoginnen mit zu vielen Kindern. Das gefährdet das Kindeswohl und verschlechtert spätere Bildungsbiografien. Ein Portrait einer Pädagogin.

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Elif* ist 28 Jahre alt, als ihr Arzt ihr einen siebenprozentigen Hörverlust auf dem linken Ohr diagnostiziert und sie davor warnt, sich weiterhin zu viel Lärm auszusetzen. Doch das ist einfacher gesagt als getan. Die lauten Geräusche, die Elifs Ohr in Mitleidenschaft gezogen haben, sind Teil ihrer Arbeit, die Summe täglichen Schreien, Weinens und Tobens von 20 kleinen Kindern, die mit Elifs Hilfe ihre ersten Bildungsschritte gehen.

Mit 19 Jahren schließt die Wienerin ihre Ausbildung an einer Bildungsanstalt für Elementarpädagogik (Bafep) ab und beginnt in einem privaten Kindergarten in der Hauptstadt zu arbeiten. Elif gehört damit zu rund 61.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die in Österreichs Kindergärten tätig sind – und zu knapp 2400 jungen Erwachsenen, die jährlich eine Bafep abschließen. Doch obwohl die Anzahl der Elementarpädagogik-Schülerinnen stetig steigt, sinkt die Anzahl jener Absolventinnen, die letztlich auch diesen Beruf ergreifen.

Die Arbeitsbedingungen, so berichtet eine Studie der Universität Klagenfurt im Dezember 2022, werden als zu abschreckend empfunden. Ein Mangel von 13.700 Fachkräften wird daher im Jahr 2030 befürchtet – zumindest unter dem vorliegenden Betreuungsschlüssel. Würden die Fachkraft-Kind-Verhältnisse bis dahin in jenem Maß verbessert, in dem es empfohlen wird, ist sogar von 20.200 fehlenden Mitarbeiter(inne)n die Rede.

Eigentlich will auch Elif nach ihrem Abschluss zum Studieren an die Universität. Sie kennt den Alltag im Kindergarten von fünf Jahren Praktika, die sie in der Bafep absolviert hat, seit sie 14 Jahre alt war, und weiß, wie anstrengend die Arbeit ist. Weiter zu lernen, ist Elif wichtig. Mit der Matura, die sie in der Bafep erhält, inskribiert sie sich für ein Lehramtsstudium. Als ihr eine Schulkollegin von einer freien Stelle in ihrer Arbeit erzählt, nimmt Elif den Job im Kindergarten zur finanziellen Überbrückung der Sommermonate an. Doch als der Sommer zu Ende geht, bleibt sie. Sie mag die Arbeit mit den Kindern und das geregelte Einkommen.

Ein Job mit Verantwortung

Elif arbeitet 40 Stunden in der Woche und leitet ihre eigene Gruppe. 36 Stunden davon bewegt sie sich zwischen den Zwei- bis Sechsjährigen. Sie versammelt sie morgens im Kreis und mittags um die kleinen Esstische. Sie erzählt den Kindern Geschichten und lehrt ihnen Lieder, um ihre Sprachfähigkeiten und emotionalen Kompetenzen zu fördern. Sie sitzt mit den älteren Kindern an Vorschulübungen, zählt mit ihnen Nummern ab oder hilft ihnen, Formen zu zeichnen. Sie klebt mit ihnen Laternen zusammen, um Fingerfertigkeiten und kognitive Fähigkeiten zu üben. Sie hebt weinende Kinder auf den Schoß, klebt Pflaster auf aufgeschlagene Knie und wiegt sie nach dem Essen in den Mittagsschlaf. Im Turnsaal lässt sie die Kleinen laufen, springen, stampfen und schreien.

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