Kindergarten

Kindergarten: Shutdown der Bedürfnisse

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Der Notbetrieb im Kindergarten zeigt auf: Es herrschen plötzlich Bedingungen, die es immer bräuchte. Über das Stiefkind der Bildungspolitik.

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Der Notbetrieb im Kindergarten zeigt auf: Es herrschen plötzlich Bedingungen, die es immer bräuchte. Über das Stiefkind der Bildungspolitik.

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Ein einjähriges Kind steht schreiend auf der einen Seite der Tür. Die Eltern verunsichert auf der anderen. Eine Szenerie, die Ruth vor dem zweiten Lockdown beinahe täglich beobachtete, während sie ihren fünfjährigen Sohn Noah morgens in einen Kindergarten der Stadt Wien gebracht hatte. Wie alle Eltern durfte auch sie seit dem ersten Lockdown die Einrichtung nicht mehr betreten. Für Noah war das in Ordnung. Er hatte längst Vertrauen zu den Bezugspersonen gefasst. Anders als Ruths jüngerer Sohn Theo, der in zwei Monaten eingewöhnt werden soll. „Selbst wenn der Lockdown dann wieder vorbei ist, wird es den Pädagoginnen unter diesen Bedingungen unmöglich sein, einem Kleinkind Geborgenheit und Sicherheit zu vermitteln.“

Seit vergangenen Dienstag herrscht in allen Kindergärten Österreichs Notbetrieb. Im Vergleich zum ersten Lockdown wird dieser von deutlich mehr Eltern in Anspruch genommen. Auch Michael (Name geändert) lässt seinen Einjährigen weiterhin betreuen. Der Kleine hat seit Herbst einen Platz in einen Wiener Privatkindergarten. „Die Eingewöhnung ist gerade erst vorbei und war Stresstest genug“, erklärt Michael. Weil Pädagoginnen wiederholt in Quarantäne mussten, wechselten Bezugspersonen ständig. Michael spricht von „chaotischen Zuständen“, weil Regeln schlecht kommuniziert wurden und die Verunsicherung von der Leitung abwärts in der gesamten Einrichtung groß war. Eine Belastungsprobe, die auch bei seinem Kind Spuren hinterließ.

Eltern als Coronaleugner

Die Schuld an dem Tohuwabohu sucht Michael nicht nur in der Einrichtung. „Corona ist für die Gesellschaft als Ganzes eine Herausforderung, Kindergärten miteingeschlossen.“ Nicht alle Eltern sehen das so gelassen, wie Kindergärtnerin Kathrin (auch sie will ihren Namen nicht in der Zeitung lesen) erzählt. Sie berichtet von Müttern und Vätern, die die Pandemie nicht ernst nehmen oder regelrechte Coronaleugner sind. „Einige ignorieren die Regeln im Kindergarten oder interpretieren sie auf ihre Art. Andere geben ihre Kinder trotz Fieber oder Husten bei uns ab.“

Probleme, die Uli Stainer, Chefin der Villa Kunterbunt in Wien-Neubau, von Anfang an vermeiden wollte. Sie setzt seit Ausbruch der Pandemie auf einen regelmäßigen und intensiven Austausch zwischen Leitung, Pädagoginnen und Eltern. „Auch wenn das gelegentlich Kreativität erfordert“. Den Elternabend Ende September verlegte sie in den Turnsaal. Mit striktem Hygienekonzept und geöffneten Fenstern diskutierte man die Herausforderungen der kommenden Monate. Das kam gut an. Wie wichtig
Elternarbeit ist, dass weiß auch Sabine Holzer-Eisenmagen, Leiterin des städtischen Kindergartens in der Ehamgasse (Wien-Simmering).

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