Homeschooling

Homeschooling: Manches Kind profitierte davon

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Bedeutet ein Mangel an Präsenzunterricht automatisch den Bildungsverlust für eine ganze Generation? Viele Fachleute gehen davon aus. Übersehen werden dabei jene Schüler(innen), die vom Ausnahmezustand durchaus profitieren konnten.

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Bedeutet ein Mangel an Präsenzunterricht automatisch den Bildungsverlust für eine ganze Generation? Viele Fachleute gehen davon aus. Übersehen werden dabei jene Schüler(innen), die vom Ausnahmezustand durchaus profitieren konnten.

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"Muss ich am Montag wieder in die Schule, Mama? Ich möchte lieber weiter mit dir lernen. Da kann ich mich besser konzentrieren.“ Dieser Satz stammt vom sechsjährigen Jonas, der die erste Klasse Volksschule besucht. Er ist eines jener Kinder, die sich im Distance-Learning gut zurechtfinden. Ja, Jonasʼ Schulkarriere ist noch recht jung. Wie Schule in Vorpandemiezeiten ablief – Montag bis Freitag mit einer Gruppe Gleichaltriger in einem Klassenzimmer, während von einer Lehrperson Wissen vermittelt wird –, hat er nie wirklich kennengelernt.

Stattdessen arbeitet Jonas am Küchentisch die wöchentlich zur Verfügung gestellten Arbeitsaufträge ab, sein älterer Bruder lernt neben ihm. Der jüngste, er geht noch in den Kindergarten, schaut seinen Brüdern einmal mehr, einmal weniger interessiert zu. Und hin und wieder wirbelt er ihre Konzentration ganz schön auf. „Wie viele Silben hat Schaf?“ Wenn Jonas nicht weiterweiß, fordert er Hilfe ein. Bei Mama oder bei Papa, die je nach Dienstplan zu Hause sind, gelegentlich auch von seinem Bruder. Dieser gibt ihm jedoch nie Antworten, wie er in Großer-Bruder-Manier verkündet, „ich gebe ihm nur Hinweise“.

Auf den ersten Blick wirkt diese Lernsituation in der Küche der Familie Oswald fast selbstverständlich und auch harmonisch. Das ist sie auch, Familie Oswald hat die Situation im Griff.

Schüchterne aus der Reserve gelockt

Schauplatzwechsel in die Zeit des Lockdowns. Es ist Punkt zwölf, eine Handvoll Mädchen und Buben, die das Notbetreuungsangebot in Anspruch nehmen, verlässt gerade das Schulgebäude der Neuen Mittelschule Staudingergasse in Wien-Brigittenau – einer sogenannten Brennpunktschule. Im Gebäude verbleibt Edina Kröppl, Musik- und Deutschlehrerin, die Tag für Tag gemeinsam mit ihren Kolleg(inn)en mit jenen Schüler(inne)n vor Ort lernt, die zu Hause wenig bis keine Unterstützung erhalten. Die Gesamtsituation beschreibt sie als „durchwachsen“, eine Verallgemeinerung wäre unzulänglich, da jedes Kind unterschiedlich auf den Ausnahmezustand reagierte. So zeigten sich etwa einige Vorzugsschüler von der Situation unbeeindruckt und brächten ihre Leistungen nach wie vor mit Leichtigkeit. Gleichzeitig sei erstaunlich, so Kröppl, dass sich plötzlich schwächere oder schüchterne Schüler(innen) präsenter zeigten.

In dieser Gruppe hätte sich die Kommunikation zwischen Lehrenden und Lernenden verbessert. Ohnehin scheint es vielen leicht zu fallen, den Kontakt über das Medium Internet zu halten. „Die Heranwachsenden sind es gewohnt zu chatten, sich die notwendigen Hilfestellungen von den Lehrenden online zu holen ist für sie natürlich.“ Der Einschätzung vieler Bildungsexpert(inn)en, dass die Coronakrise mit einem verlorenen Schuljahr und einer lost generation einherginge, kann Kröppl nicht viel abgewinnen. Vielmehr hätte Schüler(inne)n wie Lehrer(inne)n der enorme Schub in Richtung Digitalisierung einen besseren Leistungsüberblick verschafft. Es zeigte sich, dass alle Lehrenden beginnen mussten, ihre Anforderungen nicht nur zu verbalisieren, sondern auch zu verschriftlichen.

Das sei besonders für Kinder und Jugendliche mit nichtdeutscher Muttersprache eine zusätzliche Stütze gewesen und habe darüber hinaus zu ihrer sprachlichen Entwicklung beigetragen. Ausreden wie „das habe ich nicht gehört“ hätten so ihre Gültigkeit verloren. „Nun ist alles für alle Beteiligten übersichtlich abrufbar, ein organisatorischer Schritt, der schon längst überfällig war.“

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