Martin Polaschek - © Carolina Frank

Bildungsminister Martin Polaschek: "Dieses Schlechtreden der Schule ist gefährlich"

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Martin Polaschek über den Mangel an Lehrkräften und Elementarpädagog(inn)en, das negative Bild von Schule und die grassierende Wissenschaftsfeindlichkeit.

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Martin Polaschek über den Mangel an Lehrkräften und Elementarpädagog(inn)en, das negative Bild von Schule und die grassierende Wissenschaftsfeindlichkeit.

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Martin Polaschek ist ein vielbeschäftigter Mann. Vor Weihnachten musste er auf Kritik an den Deutschförderklassen sowie an der geplanten Reform der Lehrerausbildung reagieren, Montag dieser Woche präsentierte er neue Lehrpläne und Dienstag den Zwischenbericht einer Studie zur Wissenschaftsskepsis. Die größte Herausforderung ist freilich die klaffende Personallücke in Schulen und Kindergärten sowie in der Ärzteschaft. Was sind seine Lösungsvorschläge? Und wo liegen aus seiner Sicht die tieferen Ursachen dieser Probleme? DIE FURCHE hat den Bildungs- und Wissenschaftsminister (ÖVP) zum Interview gebeten.

DIE FURCHE: Herr Minister, beginnen wir mit einem Gedankenexperiment: Wenn Sie anno 2023 ein Maturant wären – würden Sie Lehrer werden wollen?
Martin Polaschek: Ja, ich würde das interessant finden. Es ist doch großartig, wie man in diesem Beruf mit jungen Menschen arbeiten und ihnen etwas mitgeben kann.

DIE FURCHE: Wenn Lehrer so ein „Klasse Job“ ist, wie es in einer aktuellen Kampagne des Bildungsministeriums heißt – wie ist dann der manifeste Lehrermangel an Österreichs Schulen zu erklären?
Polaschek: Für diesen Lehrerbedarf gibt es verschiedene Gründe. Das Image ist nur einer davon. Warum wir ein so schlechtes Bild von Schule haben, hängt für mich vor allem damit zusammen, dass wir in Österreich generell keinen positiven Zugang zum Thema Bildung haben – und nie hatten. Seit ich mich erinnern kann, hat man immer darüber diskutiert, was alles im Bildungsbereich nicht funktioniert – und nicht darüber, was gelingt und welche tollen Initiativen es gibt. Dass immer wieder Reformen notwendig sind, steht völlig außer Zweifel. Aber dieses generelle Schlechtreden halte ich für gefährlich, weil es den gesamten Bildungsbereich diskreditiert.

DIE FURCHE: Ist dafür auch die Bildungspolitik verantwortlich?
Polaschek: Ich habe den Eindruck, dass die Bildungsminister der letzten Jahrzehnte alle sehr engagiert um Verbesserungen bemüht waren. Aber die Politik kann nur auf Basis der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen agieren. Deshalb ist die Initiative „Klasse Job“ ein erster, wichtiger Schritt. Wir brauchen aber auch eine neue Erzählung von Schule. Wir müssen den Menschen vermitteln, welchen Wert Bildung hat, was Schule leistet. Ich will damit – wie gesagt – nicht Probleme kleinreden. Aber es geht oft völlig unter, wie viel Gutes auch in unseren Schulen passiert.

DIE FURCHE: Wobei der Wiener Integrationsrat erst kurz vor Weihnachten in einer Studie „unzureichende Deutschkenntnisse bei zahlreichen Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund“ festgestellt hat. Was machen Sie mit diesem Befund?
Polaschek: Wir machen einiges. Es ist klar, dass die Kinder Deutsch lernen müssen, um in der Schule Erfolg haben zu können. Aber das sogenannte „Sprachbad“, bei dem man im ständigen Austausch mit anderen Menschen eine Sprache lernt, funktioniert nur dann, wenn die meisten im Umfeld gut Deutsch können. Das ist in ländlichen Regionen so, aber nicht im urbanen Bereich. Wobei die besagte Studie auch zeigt, dass sich bei den Kindern Deutsch als gemeinsame Konversationssprache immer mehr durchsetzt. Dennoch sind die Sprachkenntnisse mäßig. Deshalb bleibt das Erlernen der deutschen Sprache so wichtig.

DIE FURCHE: Genau dafür wurden 2018 von Türkis-Blau die „Deutschförderklassen“ eingeführt. Doch diese haben „erheblichen Weiterentwicklungsbedarf“, wie die Bildungspsychologin Christiane Spiel in einer Evaluation festgestellt hat.
Polaschek: Diese Evaluation nehmen wir sehr ernst. Klar ist: Es braucht Deutsch-Förderunterricht auch im Regelunterricht, nicht nur im außerordentlichen Status, der nach maximal zwei Jahren endet. Das haben wir bereits letzten Sommer angepasst und dafür 4,5 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Klar ist auch, dass die Lehrerinnen und Lehrer mehr Ressourcen brauchen, weshalb wir in kürzester Zeit noch einmal zehn Millionen Euro zur Verfügung gestellt haben. Auch soll die Zahl der Deutschförderstunden von 20 auf 24 Stunden pro Woche erhöht werden. Wir werden auch, wie von der Evaluierungs-Studie empfohlen, den Test zur Sprachstandsfeststellung – den sogenannten „MIKA-D“ – anpassen. Für all das brauchen wir auch mehr Personal mit Kompetenzen im Bereich Deutsch als Fremdsprache. Hier eine Lösung zu finden, ist aber komplexer, weil es ja schon einige Lehrgänge und Studienangebote gibt, die bislang nur zum Teil angenommen werden.

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