Die ungestillte Neugier einer Tausendsassarin

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Es war vor nicht allzu langer Zeit im Wiener Palmenhaus, als die FURCHE zu einer Debatte über das Phänomen der "Entblößung" geladen hatte -nicht nur jener im körperlichen, sondern auch jener im medialen und ganz grundsätzlichen Sinn. Wer sonst hätte zu all diesen und noch viel mehr Aspekten etwas zu sagen gewusst als die promovierte Juristin, Gerichtssachverständige, Sexualtherapeutin, Psychoanalytikerin, Gewaltpräventions-und Kommunikationsexpertin Rotraud Perner? Die Allrounderin (das Wort Tausendsassarin müsste extra für sie erfunden werden!) ist nicht nur eine jahrzehntelange Wegbegleiterin dieser Zeitung, sondern eine der bekanntesten Stimmen in Österreich. Am 18. August 1944 in Orth an der Donau geboren und seit ihrem elften Lebensjahr in der SPÖ sozialisiert, wurde sie durch Neugier und Gerechtigkeitssinn zu einer Grenzüberschreiterin der Disziplinen: Perner studierte Jus und promovierte an der Universität Wien, sie wurde volkswirtschaftliche Referentin der Nationalbank, studierte nebenbei Soziologie, bekam mit ihrem Mann Reinhold Perner zwei Söhne, wurde SP-Bezirksrätin in Wien-Favoriten und Konsulentin für den Verein Jugendzentren der Stadt Wien. Ihr Interesse am weiten Land der Seele führte Perner schließlich zur Psychoanalytischen Sozialtherapie, 1987 gründete sie die 1. Wiener Sexualberatungsstelle, 1990 den Verein "Die Möwe" für physisch, psychisch und sexuell misshandelte Kinder. 2002 verlagerte sich ihr Forschungsschwerpunkt dann auf Gesprächsmedizin und Gewaltprävention. In ihrem "Institut für Stressprophylaxe &Salutogenese" in Matzen (NÖ) gibt sie ihr Wissen bis heute weiter - ebenso an der Uni Graz, wo sie ab Herbst die von ihr entwickelte Provokativpädagogik lehrt. Pünktlich zu ihrem 70. Geburtstag hat die vielfach dekorierte Honorarprofessorin auch ihre Publikationsliste verlängert: "Freiheit, Gleichheit, Menschlichkeit" nennt sich das Buch (Edition Roesner), in dem sie "politische und tiefenpsychologische Essays" veröffentlicht -von der Freiheit des Prager Frühlings bis zur persönlichen Reife. Sie selbst ist in ihrer Weiterentwicklung unablässig: 2010 hat die "irrtümlich" katholisch getaufte Freidenkerin das Studium der evangelischen Theologie begonnen. An ihrer Masterarbeit über protestantische Sexualität schreibt sie gerade. Auch die ersten zwei Predigten im Gemeindepraktikum sind erfolgreich verlaufen. Wenn weiterhin alles gut geht, kann Rotraud Perner in einem Jahr auch noch Pfarrerin sein.

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