„Es geht mir nicht um Schuldige“

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Bestseller-Autor und Welt-Retter Klaus Werner-Lobo im Gespräch über das Heranwagen an Grenzen.

Die Furche: Herr Werner-Lobo, Sie haben im Kongo Rebellen besucht, um illegalem Rohstoffhandel auf die Spur zu kommen. Wie muss man sich das vorstellen, man reist in den Kongo, klopft bei den Rebellen an und stellt die nötigen Fragen?

Klaus Werner-Lobo: Ich habe zunächst im Internet mit einer falschen Identität recherchiert und mich als Rohstoffhändler ausgegeben. Das ist sehr einfach, das empfehle ich jedem, man kommt dabei zu überraschenden Ergebnissen. Im Kongo selbst bin ich dann nicht als Rohstoffhändler gereist, das wäre zu gefährlich gewesen. Aber das Wichtigste ist die Vorbereitung, wenn man in ein Krisengebiet fährt. Die nötigen Kontakte im Kongo bekam ich von Freunden wie dem Afrika-Spezialisten der Berliner taz, Dominique Johnson.

Die Furche: Sie gehen bei Ihren Recherchen immer sehr große Risken ein, tun Sie das alles für das hehre Ziel, die Welt zu verbessern?

Werner-Lobo: Meine Recherchen haben nichts Altruistisches an sich. Ich gehe an meine Grenzen, das stimmt. Aber das empfehle ich ja auch meinen Lesern, dass sie ihre eigenen Grenzen austesten. Es gibt jene Menschen, die bleiben immer auf der sicheren Seite, die werden nicht viel verändern. Und es gibt andere, die ignorieren ihre Grenzen, indem sie diese überschreiten. Wer aber nie auch nur in die Nähe einer Systemgrenze geht, wird ein destruktives System nicht verändern. Und wer die Grenzen eines Systems – wie das kapitalistische – ungekannt überschreitet, wird auf die Nase fallen. Ich plädiere daher dafür, dass sich die Menschen an ihre Grenzen und die von Systemen heranwagen und sie kennenlernen. In der Umwelt findet man das größte Veränderungspotenzial immer an den Systemgrenzen, wie zwischen Wald und Wiese.

Die Furche: Sie zeigten mit Ihrem Bestseller „Schwarzbuch Markenfirmen“ auf, wo multinationale Konzerne die Menschenrechte missachten. Tendieren Sie dabei nicht dazu, die Welt in schwarz und weiß einzuteilen?

Werner-Lobo: Genau das versuche ich nicht zu tun, vor allem nicht, wenn es um die handelnden Personen geht. Es geht mir nicht darum, Schuldige zu finden. Der Schuldbegriff ist mir ohnedies viel zu religiös. Ich weiß, dass ein Geschäftsführer oder das Management eines Konzerns nicht nach ethischen Kriterien handeln kann, wenn das System auf Profitmaximierung und den Shareholder-Value ausgerichtet ist. Da nützen auch Corporate Social Responsibility-Kampagnen nichts, die versuchen eine Win-Win-Situation zwischen Gesellschaft und Wirtschaft zu propagieren. Ein Großkonzern lebt davon, dass er Ausbeutung betreibt, denn es ist nicht möglich, ohne Arbeit – rein durch Kapitalbesitz – so hohe Renditen zu erwirtschaften, ohne, dass man das Geld jemandem wegnimmt. Ich versuche nicht zu vereinfachen, sondern zu erklären.

Die Furche: Verständlich ist Ihr neues Buch, dennoch kommt es stellenweise recht einfach daher.

Werner-Lobo: Ich habe das Buch so geschrieben, dass es auch für Jugendliche (ab zwölf Jahren) verständlich ist. Mir geht es darum aufzuzeigen, dass hinter vielen Problemen wirtschaftliche Interessen stehen, und wenn diese verstanden werden, kann man sie bekämpfen.

Die Furche: Kann Ihr neues Buch aber auch außerhalb der Gutmenschen-Fraktion punkten – die Welt verändern?

Werner-Lobo: Den Gutmensch-Begriff mag ich nicht, da er von den Nazis geprägt wurde. Die Anlage zum Gutsein haben alle Menschen – die Frage ist nur, ob eine Gesellschaft eher Ellbogen und Egoismus oder aber solidarisches und verantwortungsvolles Handeln fördert. Und ich versuche, Zusammenhänge zwischen globaler Wirtschaftspolitik und unserem Alltag zu erklären, davon fühlt sich eigentlich jeder betroffen.

Das Gespräch führte Thomas Meickl.

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