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Kein Unterschied der Rechtsstellung

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Wenn im Art. 69 Abs. 1 B-VG. von den „obersten Verwaltungsgeschäf-ten des Bundes“ die Rede ist, im Art, 71 B-VG. aber von der „Fortführung der Verwaltung“, so kann dieser Ausdruck vom Zweck der Regelung her (Kontinuität der Exekutive) nur als Ermächtigung der einstweiligen Bundesregierung zur Fortführung der obersten Verwaltungsgeschäfte des Bundes verstanden werden, nicht aber als eine Einschränkung von Zuständigkeiten. Dazu kommt, daß die Verfassung Sonderkompetenzen der einstweiligen Bundesregierung als Ausnahme von der Regel hätte ausdrücklich normieren müssen. Das B-VG. weist aber der provisorischen Bundesregierung weder ein minus noch ein aliud an Zuständigkeiten zu. Es gibt also zwei verschiedene Arten der Bundesregierung, aber nicht verschiedene Zuständigkeiten.

Inwieweit die jeweilige Bundesregierung allerdings von ihren rechtlichen Befugnissen tatsächlich Gebrauch macht, ist eine Frage der Politik, nicht des Rechts. Rechtlich ist die Stellung der einstweiligen Bundesregierung keine andere als die der „normalen“ Bundesregierung.

Das ergibt sich auch aus der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes: Schon in seinem Erkenntnis Slg. 1208/1929 hat dieser ausgesprochen, daß die mit der Fortführung der Verwaltung betraute Bundesregierung, da in der Verfassung keine Einschränkung gemacht worden sei, dieselben Befugnisse wie die definitive Bundesregierung hat Wenn es etwa im Art. 140 des B-VG. heiße, daß der Verfassungsgerichtshof auf Antrag der Bundesregierung über die Verfassungswidrigkeit von Landesgesetzen zu erkennen hat, so falle auch die einstweilige Bundesregierung darunter. „Der Art 71 B-VG. ist freilich nicht ausdrücklich zitiert, aber ebensowenig der Art. 69, der von der definitiven Bundesregierung handelt. Es sind eben, ganz wie im Art. 76 B-VG., beide Arten der Bundesregieung durch den letzten Ausdruck zusammengefaßt. Auch aus aus dem Art. 76 Abs. 1 B-VG, welcher von der Verantwortlichkeit der Bundesregierung gegenüber dem Nationalrat handelt, ergibt sich die völlige Gleichstellung der einstweiligen und der endgültigen Bundesregierung.“ Auch komme zur Erwägung, daß in der Bundesverfassung die Funktion der „Regierung“ nicht neben der „Verwaltung“ besonders erwähnt sei. Zusammenfassend stellte der Verfassungsgerichtshof in dem zitierten Erkenntnis fest, daß in der Berechtigung der einstweiligen Bundesregierung zur Fortführung der Verwaltung auch die Legitimation zur Vornahme von eigentlichen Regierungsakten liegt.

Der Schweizer Staatsrechtslehrer Fritz Fleiner bezeichnete einmal eine gute Verwaltung als die beste Verfassung. In Österreich ermöglicht eine gute Verfassung das reibungslose Funktionieren der Verwaltung. Die Verfassung selbst wahrt die Kontinuität der Exekutive. Sie gibt der einstweiligen Bundesregierung alle rechtlichen Möglichkeiten der definitiven Bundesregierung in die Hand, mag auch die politische Realität der Verwirklichung dieser Möglichkeiten entgegenstehen.

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