Politik mit Herz und Hartnäckigkeit

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Jubel, Trubel, Feuerwerk - und mittendrin plötzlich der Tod: Wenige Minuten vor dem Jahreswechsel erfuhr die Öffentlichkeit, dass Innenministerin Liese Prokop völlig überraschend an den Folgen eines Aorta-Risses gestorben war. Seither reißen die bestürzten Nachrufe nicht ab. Und sie ähneln einander verblüffend: Der Tod Prokops sei ein "schwerer Schlag für die Republik Österreich", meinte Bundespräsident Heinz Fischer in seiner eilig umformulierten Neujahrsansprache - und beschrieb Prokop als einen "warmherzigen Menschen". Bundeskanzler Wolfgang Schüssel erklärte, das "große Herz" Prokops habe versagt - und "auch uns ist das Herz stehen geblieben". SP-Chef Alfred Gusenbauer würdigte Prokop als "großartige Frau". Und selbst Heinz-Christian Strache, mit dem Prokop in Sachen Ausländerpolitik so manchen Strauß gefochten hatte, streute ihr posthum Rosen: "Sie war abseits aller Auffassungsunterschiede ein Mensch, mit dem man reden konnte, und sie hat auch menschlich gehandelt."

Herzlichkeit, Menschlichkeit, Gesprächsfähigkeit: Mit diesen (gern als "typisch weiblich" qualifizierten und zugleich oft belächelten) Eigenschaften war Liese Prokop tatsächlich eine positive Ausnahmerscheinung in der österreichischen Spitzenpolitik. Die nötige Härte und Hartnäckigkeit hatte sie sich schon zuvor auf einem anderen Feld erworben: im Sport.

1941 in Wien als Liese Sykora geboren und in Korneuburg und Tulln aufgewachsen, studierte Prokop Leibeserziehung und Bio-logie an der Universität Wien. Nach dem Tod ihres Vaters, des Tullner Bezirkshauptmanns Hans Sykora, musste sie das Studium abbrechen. In dieser Zeit begann auch ihre sportliche Karriere. Trainiert von ihrem späteren Ehemann Gunnar Prokop erreichte sie 1968 bei den Olympischen Spielen in Mexiko im Fünfkampf die Silbermedaille und schaffte ein Jahr später den Weltrekord, der bis 1998 (Weitsprung) bzw. bis 1999 (Kugelstoßen) hielt. 1969 ging Prokop schließlich als eine der ersten "Quereinsteigerinnen" in die Politik und wurde Abgeordnete im niederösterreichischen Landtag. Von 1981 bis 1992 war sie als Landesrätin für Soziales, Jugend-und Familienangelegenheiten, moderne Kunst und Sport zuständig und avancierte von 1992 bis 2004 an der Seite ihres langjährigen Förderers Erwin Pröll zur Landeshauptmann-Stellvertreterin.

Dass nach dem überraschenden Rückzug Ernst Strassers im Dezember 2004 ausgerechnet die damals bereits 63-Jährige neue Innenministerin werden sollte, überraschte viele. Doch anders als ihr Vorgänger setzte Prokop von Anfang an auf Dialog. In der Sache blieb sie freilich hart: Neben der Fusion von Polizei und Gendarmerie verantwortete sie auch die umstrittene Novelle des Asyl-und Fremdenrechts, die zu einer dramatischen Zunahme von Flüchtlingen in Schubhaft führte. Auch die Interpretation einer Studie, wonach 45 Prozent der Muslime "nicht integrationswillig" seien, brachte ihr Kritik ein. Dennoch wussten Menschenrechts-und Hilfsorganisationen das neue, konstruktive Gesprächsklima in der Herrengasse zu schätzen.

Es ist deshalb mehr als eine Floskel, wenn Caritas-Präsident Franz Küberl vor allem die "sympathische Geradlinigkeit" Prokops würdigt. Sie habe "trotz vieler Zwänge des Innenressorts wichtige soziale Akzente gesetzt". Mehr ist in dieser Funktion offenbar kaum möglich - nicht einmal für eine Politikerin mit Herz.DH

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