Über die "flinke Liese"

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Furche Nr. 43/23. Oktober 1971

Ein - ungezeichneter - Kommentar am Beginn der Politkarriere Liese Prokops:

"Schnell wieder vergessen!" ist die einhellige Antwort niederösterreichischer vp-Funktionäre, auf die Politikerin Liese Prokop angesprochen. Landeshauptmann Maurers Lieblingsidee, die Exfünfkampfweltrekordlerin zur Politikerin "umzufunktionieren", erwies sich offenbar als ausgesprochener Fehlstart. Die "flinke Liese", die über ein Reststimmenmandat des Bauernbundes in den niederösterreichischen Landtag katapultiert wurde, war sich zum Zeitpunkt ihrer Wahl - im Oktober 1969 - noch nicht klar, welchem Bund sie sich anschließen soll. Zwar im Hürdenlauf versiert, zeigte sie sich außerstande, schon die erste övp-Hürde gut zu nehmen. "Bis Weihnachten", meinte sie, "muß ich mich für öaab, Bauern- oder Wirtschaftsbund entscheiden." Schließlich ist sie beim öaab gelandet.

Anstatt aber ihren sportlichen Trainingseifer zu vergessen und sich eifrig im Landesparlament herumzutun, holte Prokop wieder die Laufschuhe aus dem Kasten. Hieß es am Beginn ihrer verunglückten Politikerkarriere, daß sie dem Wettkampfsport ade gesagt habe, verblüfft sie nunmehr die politisch interessierten Leser der Sportseiten mit neuen Rekorden: Vor wenigen Tagen fiel - mit der Frau Landtagsabgeordneten als Startläuferin - der österreichische Rekord in der der 4x200-m-Staffel. Das nächste Ziel: der 4x800-mRekord. - Bei solcher sportlicher Rekordwut stellt sich die Frage, wie Hausfrau, Mutter und Abgeordnete Prokop mit ihrer Zeit zurechtkommt. Denn jeder, der nur etwas sportlich interessiert ist, weiß, daß Rekorde nicht von Debattenreden kommen. Anzunehmen also, daß die Frau Abgeordnete einen großen Teil der Zeit, den sie im Landhaus verbringen sollte, der Aschenbahn widmet.

So ist es auch verständlich, warum auf die Frage, was die Sportpolitikerin im Landtag vorgebracht hat, mit einem betretenen Schweigen geantwortet wird. Tatsächlich: einer erinnert sich sogar, daß Prokop zum Thema Sport und Sportstättenplan einmal das Wort ergriffen hat. Und sonst? "Schnell wieder vergessen ..."

Dabei war Prokops Weg in die Politik mit guten Vorsätzen mehr als gepflastert: "Ich kann nur hoffen, daß mich viele junge Leute gewählt haben", gab sie 1969 zu verstehen, "deren Anliegen will ich mich mit ganzer Kraft widmen, ebenso den Anliegen der Familien und der Mütter - ich bin die einzige Mutter im Landtag." An konkreten Vorstellungen hat es nicht gemangelt: Halbtagsbeschäftigung für die Frau stand an oberster Stelle. Da muß etwas geschehen, denn "das Resultat ist bekannt: Erziehungsschwierigkeiten, Jugendgefährdung, Schlüsselkinder".

Es ist nur zu hoffen, daß den Jungwählern ein neuer sportlicher Rekord ein echtes Anliegen ist, sonst könnte der Fall eintreten, daß sie von "ihrer Liese" enttäuscht sind. [...] Maurers "As im Talon" bei der Wahl 1969 droht zur "Kreuz-Dame" für 1974 zu werden ...

Nächste Woche: Furche 1972 über den steirischen Zeitungskrieg.

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