Traditionelle Drogen-Prävention ist gescheitert"

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Die am meisten gefährdeten Jugendlichen gehen nicht zu Drogenpräventionstellen. Deswegen kommt ChEck iT zu den Techno-Partys und bietet dort die anonyme und kostenlose chemische Analyse psychoaktiver Substanzen. ChEck iT-Mitarbeiterin Irene Ivan über ihre Arbeit und den Vorwurf, ChEck iT unterstütze Suchtverhalten und Drogendealer.

Die Furche: Welches Ziel verfolgt die Beratungseinrichtung ChEck iT?

Irene Ivan: Unser Ansatz ist: Wenn Jugendliche und junge Erwachsene schon Ecstasy, Speed oder andere psychoaktive Substanzen nehmen, dann sollen sie sich nicht zusätzlich durch Verunreinigungen oder hohe Dosierungen oder Mischungen gefährden. Mit unserer Analyse und Beratung versuchen wir, Suchttendenzen zu verhindern und die Risiken des Drogenkonsums zu reduzieren.

Die Furche: Wie erreicht ChEck iT die Jugendlichen?

Ivan: Das aufsuchende Angebot von ChEck iT ist extrem szeneadäquat. Die Beratungsteams und Labors kommen zu den großen Rave- und Techno-Events. Dadurch gelingt es uns, die Hochrisikogruppe in der Szene zu erreichen. Dort treffen wir die Jugendlichen, die illegale Substanzen konsumieren oder an der Schwelle zum Konsum stehen.

Die Furche: Wie wird dieses Angebot angenommen?

Ivan: Die Jugendlichen schätzen es, dass wir sie in ihrer Lebenswelt aufsuchen und sie objektiv über Wirkungen und Risiken des Konsums von Drogen beraten. Dazu muss man wissen, dass traditionelle Versuche der Prävention bei den Jugendlichen in dieser Szene gescheitert sind. Zu herkömmlichen Drogeneinrichtungen gehen sie einfach nicht hin. Das hängt damit zusammen, dass sie sich in keiner Form als süchtig oder suchtgefährdet fühlen.

Die Furche: Wer kommt zum Substanzen-Check und zur Beratung?

Ivan: Das hat sich in den fünf Jahren, in denen es ChEck iT gibt, verändert. Am Anfang war die Neugier groß. Da haben wir vermehrt auch Nicht-Konsumenten erreicht, die sich über die Risiken informieren wollten. Mittlerweile sind wir so gut bekannt, dass wir Leute kontinuierlich betreuen.

Die Furche: Wie viele kommen zu ChEck iT?

Ivan: Bei einer durchschnittlich großen Rave-Party mit zwei- bis viereinhalbtausend Besuchern machen wir rund hundert Analysen. Das hängt auch damit zusammen, dass es 20 Minuten dauert, bis ein Ergebnis vorliegt. Zudem haben wir aber in so einer Nacht bis zu 380 Kontakte und Beratungen.

Die Furche: Wie alt sind Ihre Klienten?

Ivan: Unsere Jugendlichen sind durchschnittlich 19 Jahre alt. Es beginnt bei 16- und endet bei 24-Jährigen.

Die Furche: Was treibt die Jugendlichen zum Drogenkonsum?

Ivan: Sehr viele sind klassische Experimentier- und Probier-Konsumenten. Neben sehr viel Alkohol- und Nikotinkonsum greifen sie aus Neugierde zu illegalen Substanzen - auch weil es die Freunde machen, oder weil es einfach zur Szene dazugehört.

Die Furche: Nehmen Jugendliche diese Substanzen auch, um eine Nacht lang durchtanzen zu können?

Ivan: Die Wirkung von Amphetaminen ist antriebssteigernd. Die subjektive Wahrnehmung der Konsumenten ist, dass ihr Durchhaltevermögen wächst. Aber das stimmt nicht. Nur das Müdigkeitsempfinden wird kurz ausgeschaltet. Deshalb ist auch das Runterkommen von der Droge extrem belastend. Die Jugendlichen sind vollkommen erschöpft und haben oft Muskelkater. Diese Folgewirkungen zeitigt aber eher der Speed-Konsum. Bei Ecstasy ist die Wirkung mehr auf der Gefühlsebene. Es wird die Wahrnehmung geschärft. Die Sinneswahrnehmungen werden klarer. Die Jugendlichen meinen beispielsweise, die Musik "besser" zu hören.

Die Furche: Ist die Techno-, Rave-Szene im Wachsen?

Ivan:Unsere Erfahrung ist, dass die Szene stabil ist. Das gilt auch für den Drogenkonsum. Es wird jetzt nicht mehr konsumiert als vor fünf Jahren. Aber die Szene verändert sich dahingehend, dass es nicht mehr so viele große Techno-Veranstaltungen speziell in Wien gibt. Das kann auch mit der wirtschaftlichen Lage zusammenhängen. Die Jugendlichen gehen jetzt wieder in kleinere Diskotheken, sind bei der Musik experimentierfreudiger und folgen nicht mehr so sehr dem Main-Stream.

Die Furche: Wenn die Jugendlichen weniger große Events bevorzugen, macht das aber auch die Präventionsarbeit aufwändiger und schwieriger.

Ivan: Wir müssen unser Angebot adaptieren und mehr in Diskotheken und Großraumclubs gehen. Unser mobiles Labor ist zwar umgebaut, aber trotzdem immer noch sehr groß und braucht gewissen Platz und personellen Aufwand. Wenn wir jetzt mehr Raves betreuen müssen, brauchen wir kleinere Geräte, damit wir mit kleineren Teams in kleinere Clubs gehen können.

Die Furche: Kommen die Techno-Jugendlichen aus einer bestimmten gesellschaftlichen Schicht?

Ivan: Zu uns kommen Lehrlinge, Maturanten, Studierende. Ich meine, dass die Rave-Szene aus dem ganzen Spektrum an Jugendlichen besteht. Ein Kriterium ist aber sicher die finanzielle Situation. Der Besuch eines Rave-Großevents kostet mindestens zehn Euro Eintritt. Dazu kommen die Kosten für Getränke und Zigaretten - da kommt schon was zusammen.

Die Furche: Und was kosten Ecstasy- oder Speed-Tabletten?

Ivan: Zwischen zehn und 15 Euro.

Die Furche: Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit zwischen ChEck iT und der Polizei?

Ivan: In Wien funktioniert die Zusammenarbeit mit der Exekutive außerordentlich gut. Die Polizei verfolgt primär ein anderes Ziel, aber auch der Exekutive ist es ein Anliegen, dass vor besonders bedenklichen Substanzen im Sinne des "early-warning-systems" (europäisches Frühwarnsystem) gewarnt wird.

Die Furche: Präventionseinrichtungen wie ChEck iT wird oft der Vorwurf gemacht, sie unterstützten das Suchtverhalten und helfen Dealern?

Ivan: Das Gegenteil ist der Fall. Eine aktuelle Studie der Europäischen Union zeigt, dass Pill-Testing-Programme das Konsumverhalten positiv beeinflussen. Je häufiger Jugendliche ihre Pillen testen lassen, desto seltener konsumieren sie die Substanzen. Das Risikobewusstsein steigt. Und die Studie beweist, dass Jugendliche ihre Tabletten nicht nehmen, wenn die Analyse nicht das erwartete Ergebnis liefert.

Das Gespräch führte Wolfgang Machreich.

Weitere Informationen unter www.CheckYourDrugs.at

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