Vandalen im Lagerhaus des Wissens

Werbung
Werbung
Werbung

In seinem neuen Buch "Bildungsideologien" polemisiert Manfred Prisching ebenso klug wie erfrischend gegen neun beliebte Holzwege in der Bildungsdiskussion.

Dass Manfred Prisching schreiben kann, ist für Furche-Leserinnen und -Leser keine Überraschung. Als regelmäßiger Kolumnist nimmt er in seinem "Seitenblick" die Verzerrungen und Borniertheiten einer - wie er sagt - "weitgehend nihilistischen Gesellschaft" aufs Korn, die mit nichts etwas anzufangen weiß, mit dem man nicht Geld verdienen kann. Nun hat Prisching, Professor für Soziologie an der Universität Graz, in einem neuen Buch dem ideologischen Kampfplatz Bildung auf den Zahn gefühlt. In einem "zeitdiagnostischen Essay an der Schwelle zur Wissensgesellschaft" - so der Untertitel - analysiert er neun gängige Bildungsmodelle, die durch schmalspurige Übertreibungen ihrer je eigenen Perspektive längst zu Karikaturen geworden sind.

Da wäre etwa das "Lagerhausmodell", das sich das Bildungsgeschehen als eine Art "Einschaufelung von Informationsmaterial in Köpfe jugendlicher Menschen" vorstellt und "Enzyklopädie" mit "Wissen" verwechselt. Oder das "Datenbankmanagement-Modell", dem es nur mehr um "Access" geht: Statt überflüssiges Wissen im Kopf zu speichern, brauche man es nur noch im Internet abzurufen. Ein fataler Irrtum, glaubt Prisching: "Computer und Internet sind hilfreiche und sinnvolle Instrumente: Sie lösen nur kein Bildungsproblem." Ebenso wenig hilfreich sei das "alltagspragmatische Modell", das Führerscheinkurs und Drogenaufklärung wichtiger nimmt als Mathematik und Geschichte; oder das "Erlebnismodell", das in seinem "Sensationalismus" vergisst, dass Lernen auch mühsam sein kann; oder das "Geschwindigkeitsmodell", das "Arbeitsmarktmodell", das "Zertifikatsmodell" und das "Managementmodell". Selbst das "bürgerlich-abendländische Modell", dem Prisching am nächsten steht, droht durch unzeitgemäße Terminologie zu scheitern. In einer "egalitär-progressistisch-pragmatisch-hedonistischen Epoche" könnten sich jene, die auf die Welt der Griechen und Römer verweisen, nur lächerlich machen. Als Folge tue sich eine "Unbildungslandschaft" auf, klagt Prisching in Anlehnung an Konrad Paul Liessmann, dessen "Theorie der Unbildung" er ausdrücklich empfiehlt.

Was aber sind die Konsequenzen aus Prischings ebenso luzider wie sprachlich gewitzter Analyse? "Welche positiven Bildungsvorstellungen sich aus der Kritik ergeben, ist aus der, Umkehrung' der Bekrittelungen zu entnehmen", schreibt er lakonisch in einer Fußnote. Hoffentlich verrät er bald Konkreteres in einem nächsten Buch. Doris Helmberger

BILDUNGSIDEOLOGIEN.

Ein zeitdiagnostischer Essay an der Schwelle zur Wissensgesellschaft.

Von Manfred Prisching. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2008. 229 Seiten, brosch., € 25,60

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung