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Vor rund 50 Jahren, am Höhepunkt der 68er-Bewegung, stand der US-Schriftsteller Henry David Thoreau (1817-1862) hoch im Kurs. Schade, dass er heute weit weniger populär ist, denn seine Gedanken über die Wildnis sind wichtiger als je zuvor. Das belegen wieder einmal zwei Studien: Ein Bericht im Journal Nature hat weltweit Wildnisgebiete kartiert und kommt zu dem Schluss, dass davon "nicht mehr viel übrig ist". Nur noch 23 Prozent der Natur an Land sind unberührt -vor 100 Jahren waren es noch 85 Prozent. Der vom WWF erstellte "Living Planet Report" wiederum untersuchte die Bestände von über 4000 Wirbeltierarten und vermerkte seit den 1970er-Jahren einen Rückgang um durchschnittlich 60 Prozent. Von einem "beispiellosen Niedergang der Natur" spricht WWF-Artenschutz-Experte Georg Scattolin. Die beiden Befunde verweisen jedenfalls auf das große Bild: Für den Schutz der Artenvielfalt ist der Verlust von Wildnisgebieten fatal. Und nicht nur beim Klimawandel, auch beim Biodiversitätsverlust sind die Grenzen der globalen Belastbarkeit bereits überschritten.

Dies ist der Hintergrund für die 14. Vertragsstaatenkonferenz des Übereinkommens über die biologische Vielfalt, die ab Mitte November im ägyptischen Sharm El Sheikh stattfinden wird. Die Ausgangssituation ist schwierig, denn mehr als 70 Prozent der verbliebenen Wildnis befindet sich in nur fünf Staaten: Australien, Brasilien, Kanada, Russland und die USA. Dort sind mehrheitlich Regierungen tätig, die sich kaum für Natur-und Klimaschutz engagieren. Neben US-Präsident Donald Trump hatte letztes Jahr auch Wladimir Putin angezweifelt, dass der Klimawandel vom Menschen verursacht wird. Und Brasiliens neuer Regierungschef Jair Bolsonaro zeigt keinerlei Interesse für den Schutz des Regenwalds im Amazonas -ein gigantischer CO2-Speicher und Biotop für unzählige Arten. Doch wie beim Klimaschutz ist gegen die Krise der Biodiversität nur ein gemeinsames Vorgehen erfolgversprechend. Angesichts globaler Problemstellungen sind nationale Einzelgänger am Holzweg. Thoreau hätte wohl zivilen Ungehorsam angemeldet, denn er wusste: "In der Wildheit liegt die Erhaltung der Welt."

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