"Meiner Liebe wirst du nicht entgehen"

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Ödön von Horváth schrieb sogenannte Volksstücke, in denen er nicht zuletzt das Aufkommen des rechten Mobs schilderte -für die Ausstellungsmacher ein Autor, der aktueller denn je ist.

Ein blutiger Schweinskopf in der Kühlvitrine, das wär 's gewesen! Sagt Peter Karlhuber, mit dem wir durch die von ihm gestaltete Ausstellung zu Ödön von Horváth im Wiener Theatermuseum gehen. Denn dieser Schweinskopf hätte wunderbar die latente Gewalttätigkeit von Oskar auf den Punkt gebracht, den Horváth in seinem Stück "Geschichten aus dem Wiener Wald" den wohl abgründigsten Satz der Liebesliteraturgeschichte zu Marie sagen lässt: "Meiner Liebe wirst du nicht entgehen."

Mit dem blutigen Objekt wurde es aber nichts. Das hätte nämlich erstens jeweils nach zehn Tagen ausgetauscht werden müssen und zweitens unweigerlich Fliegen angezogen. Unvereinbar mit einem ordentlichen Museumsbetrieb. Also wurde ein Tierpräparator beauftragt, und der richtete den Schweinskopf, immerhin einen echten, so her, dass aus ihm mit jeglicher Gesundheitsgefahr auch alles Grauen gewichen ist.

Schade! Andererseits waren die Einwände ja stichhaltig. Eine Ausstellung gestalten, sagt Karlhuber, heißt auch immer, Kompromisse einzugehen: die Interessen des Museums zu berücksichtigen, den Budgetrahmen einzuhalten und sich mit den Kuratoren auf eine gemeinsame Lösung zu einigen. Man hat nicht völlig freie Hand, man arbeitet im Team. Man entwickelt eigene Ideen, ist aber auch immer offen für andere, vielleicht noch bessere. Karlhuber kennt die Usancen, seit mehr als einem Vierteljahrhundert arbeitet er, der Bühnenbild studiert hat, in dieser Branche.

Schlacht im Wirtshaus

Schon über Arthur Schnitzler, Thomas Bernhard, Peter Handke und Stefan Zweig hat Karlhuber im Theatermuseum Ausstellungen in Szene gesetzt, immer wieder mit anderen Wissenschaftlern. Nun setzt er diese Reihe über österreichische Dichter mit Ödön von Horváth (1901 -1938) fort, zusammen mit den Kuratoren Nicole Streitler-Kastberger und Martin Vejvar.

Horváth schrieb sogenannte Volksstücke, in denen er nicht zuletzt das Aufkommen des rechten Mobs schilderte -für die Ausstellungsmacher ein Autor, der aktueller denn je ist. Geplant hatten sie, die Ausstellungseröffnung mit den Nationalratswahlen zusammenfallen zu lassen, was allerdings daran scheiterte, dass diese Wahlen bekanntlich vorgezogen wurden.

Umgestürzte Bierbänke, zerschmetterte Bierkrüge am Boden. Diese Rauminstallation ist eine Reminiszenz an Horváths Stück "Italienische Nacht", in der es zu einer Wirtshausschlacht zwischen verfeindeten politischen Gruppen kommt. Der Besucher bewegt sich auf einem lose verlegten Holzboden, auf dem jeder seiner Schritte ein lautes Knarzen verursacht. Und alle zehn Minuten ertönt aus einem Volksempfänger Hitler, ein Ausschnitt aus dessen Sportpalastrede von 1933.

In anderen Ausstellungen hat sich der Besucher mit krummem Rücken über Vitrinen zu beugen. Hier dominiert das Ereignis, das sinnliche Erlebnis, wobei es auch in dieser Ausstellung Stationen mit sogenannter Flachware -Fotos, Briefe, Manuskripte - unter Glas gibt, die zum genaueren Studium einladen. Karlhuber setzt auf Abwechslung und Rhythmus: "Meine Aufgabe als Gestalter sehe ich darin, die Aufmerksamkeit des Besuchers während seines gesamten Rundgangs aufrecht zu erhalten."

Der Wirtshaus-Raum ist hell erleuchtet, der gegenüberliegende Raum, angelehnt an das Stück "Kasimir und Karoline", nur schwach. Jeder Raum präsentiert sich wieder anders, doch in allen finden sich alte metallene Rollläden und gebrauchte Biertische -diese Elemente sorgen für den nötigen Zusammenhalt.

Fehlen wird immer etwas. Vermessen wäre es, alles über einen Dichter erzählen zu wollen, sagt Karlhuber. Umso wichtiger sei es daher, sich auf einzelne aussagekräftige Aspekte zu beschränken.

Einer der Aspekte, der in dieser Ausstellung gleich am Anfang präsentiert wird, ist Horváths außergewöhnliches Ende -in Paris wurde er von einem herabfallenden Ast erschlagen. Gerne hätte Karlhuber für seine Eingangsinstallation den Ast einer Platane von der Champs-Élysées verwendet. Daraus wurde allerdings nichts. Zu teuer. Nun hängt ein Ast aus der Lobau von der Decke, zudem von einer Pappel. Als Ausstellungsgestalter muss man eben immer wieder Abstriche machen.

Ich denke ja garnichts, ich sage es ja nur Ödön von Horváth und das Theater bis 11.2.2019. Theatermuseum, Wien Mi -Mo von 10 -18 Uhr www.theatermuseum.at

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