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Sprache ist Geräuschmaterial

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Nach herkömmlichem Verständnis treffen Musik und Sprache einander im Libretto. Jeder der Künstler hat dabei seinen Anteil. Der Librettist, der Komponist, das Orchester, die Sänger, die Bühnenbildner, die Choreographen. Aber genau das war bei den Wochenend-gesprächen vor kurzem nicht gefragt. Obgleich Bolf Schneider sich in seinem Text mit dem Tondichter Bichard Wagner auseinandersetzte. Und zwangsläufig auch so überkommene Begriffe wie Opernkompositeur in die Diskussion gelangten.

Sprache an sich ist vorerst einmal Geräuschmaterial. Abgesehen von Bhythmus und Tempo. Sprache verlangt wie Musik eine gesellschaftliche Konvention. Je weniger diese Konvention anerkannt und akzeptiert ist, umso schwieriger wird das Verstehen. Sprache wie Schrift - und nota bene Notierung - sind Fiktion. Linien die senkrecht aufeinander stehen, stellenweise gebogen oder kreisförmig sind, haben eine bestimmte Bedeutung. Sie sind der graphische Ausdruck des Phonems. Phoneme sind von Kultur zu Kultur verschieden und bilden das Material für eine Art Musikalität.

Achtzehn Teilnehmer aus sechs Staaten haben sich eingehend zu diesem Problem geäußert und aus ihren literarischen Arbeiten an zwei Leseabenden im OBF Beispiele präsentiert. Von Inger Christensen aus Kopenhagen bis Baoul Schrott, Seillans, von Oskar Pastior, Judith Kuckart aus Berlin, bis Philo Bregstein, Paris, Hans Baimund, Duino, und Beinhold Au-meier, Gerhard Jaschke, Julian Schütting und Sabine Scholl aus Wien, Ilma Bakusa und Sibylle Severus aus Zürich. Sowie Heinz D. Heisl und Heimo Wisser, beide aus Hall in Tirol. Elfriede Czurda verlas ihre Wortspiele nach dem Bezept „Strategien, Starrsinn und Strophen”. Und Heimo Wisser, als Komponist der „Praktiker” der Gäste, ließ aus dem Stegreif zu handgeklopftem Bhythmus Verse zum Thema EU und dem Satz „Alles wird billiger” tanzen. Ein weiteres in Bichtung Sprach-Musik, im Wortsinn „ver-tontes” Beispiel, gab Ilma Rakusa. Mit dem Titel „Odem” schrieb der Zürcher Komponist Edu Haubensak eine Partitur zur Wortkomposition. Das Flüstern und Übertonen der Zisch- und Reibelaute hatte eine Entsemantisierung des Textes zur Folge. Das Ergebnis war eine „stereophone Unvereinbarkeit”, denn irgendwann verlor man als Zuhörer den Text und die „Musik” trat in den Vordergrund.

Das Phänomen „Verstehen” kam dann allerdings nur über die sprachliche Interpretation zur Sprache. Und die Gäste gingen wieder zurück an ihre Arbeitstische. Neue Sprasik und Musache im Kopf.

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