Die Macht der Empfänger

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Mitten in die heimische Regierungskrise und den damit verbundenen Aufwind für Nachrichtenmedien platzt der „Digital News Report 2019“ des Reuters Institute an der Universität Oxford. Dank 75.000 Befragten in 38 Staaten ist er die global größte Studie zur Nutzung von Nachrichten. Mit dem Austro-Teil sorgt die Kommunikationswissenschaft der Universität Salzburg für die wichtigste Ergänzung der traditionellen heimischen Marktforschungen. Wichtiger als darin georteten Trends wie wachsendes Informationsinteresse und steigende Zahlungsbereitschaft für digitale Angebote wirkt allerdings ein Nebenprodukt der Medien-Erkundungen. Denn drei Viertel der 2000 repräsentativ für Österreich Interviewten wünscht sich bei wichtigen Entscheidungen grundsätzlich eine Volksbefragung und zwei Drittel glauben, dass sich die Politiker nicht für die Anliegen der Bevölkerung interessieren. Wenn Journalismus dies lediglich als Wasser auf die Mühlen seiner Kritik versteht, liegt er allerdings falsch. Das neue Selbstbewusstsein der Medien darf sich nicht auf Kosten ihrer späten Selbstreflexion vollziehen. Die privilegierte Position des einstigen Pförtners für das Publikum zum Berichtenswerten ist endgültig dahin. Es geht um Transparenz und Augenhöhe zwischen professionellem Vermittler und infointeressiertem Bürger. Mehr als ein Viertel von ihnen publiziert und kommentiert bereits Nachrichteninhalte, drei von zehn teilen zumindest Informationen. Digitale Möglichkeiten schwächen die Stellung des Senders und stärken die Position des Empfängers. Der Leitartikel als Ersatz der Kanzelpredigt hat damit nicht ausgedient. Doch sein Verfasser hat heute einst ungeahnten Erklärungs- und Diskussionsbedarf. Wenn er sich diesem nicht stellt, ergeht es ihm wie dem Politiker, der als interesselos für Volkes Meinung gilt: Er ist eine Fehlbesetzung für 2019.

Der Autor ist Medienberater und Politikanalyst

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