Cunningham - © Polyfilm

Jahre gegenseitiger Inspiration

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Die russische Dokumentarfilmerin Alla Kovgan dem crossmedialen Impulsgeber und Choreografen Merce Cunningham und seiner Company ein cineastisches Denkmal.

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Die russische Dokumentarfilmerin Alla Kovgan dem crossmedialen Impulsgeber und Choreografen Merce Cunningham und seiner Company ein cineastisches Denkmal.

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Im Kino besteht die ironische Situation, dass gerade jene Genres, die der Wirklichkeit am fernsten stehen – Animation oder im Realfilm z. B. Science­Fiction –, um sich dagegen zu behelfen, besonders gern auf das „realitätsnähere“ 3D zurückgreifen. Im Dokumentarbereich sind die Beispiele weit dünner gesät – deutsche Giganten ausgenommen, siehe Werner Herzog mit seiner „Höhle der vergessenen Träume“ oder Wim Wenders mit „Pina“. Ob dieser seltene Rückgriff auf die neue Räumlichkeit nur am Aufwand liegt oder auch an der öfter gestellten Sinnfrage, ob eine künstlerische Notwendigkeit besteht, sei dahin gestellt. Mit „Cunningham“ liegt nun aber eine weiterer Tanzdokumentarfilm vor, der immersiver sein will, als es ihm in zwei Dimensionen möglich scheint. Alla Kovgan zeichnet in dieser Arbeit drei Jahrzehnte im Werk des Choreografen und crossmedialen Impulsgebers Merce Cunningham (1919–2009) nach.

Dabei stellt die Regisseurin sogar kurz die These in den Raum, dass der Mann, dem es reichte, Tänzer genannt zu werden, am Beginn der amerikanischen Nachkriegskunst steht. Als Beleg führt Kovgan den Kreis an, den er um sich sammelte und die auch Teil seiner berühmten Company waren: den Komponisten John Cage, mit dem er eine Beziehung einging, und den Maler und Konzeptkünstler Robert Rauschenberg; später mischt auch Andy Warhol mit. Covgan sieht ein Spannungsverhältnis zwischen Erfolg und Kreativität, und interessiert sich deshalb gar nicht für die Jahre der Anerkennung, sondern für jene der gegenseitigen Inspiration. Auf sich bezogen münzt sie diese auch gemeinsam mit der Choreografin Jennifer Goggans und der letzten von Cunningham selbst ausgebildeten Generation von Tänzer(innen) in Bilder um. Die spektakulären Orte und die Dynamik, mit der diese seine Ideen im Jetzt weiterführen, sind das Herzstück des Films. Stadt und Natur, Raum und Architektur verschmelzen mit der Emotion vor der Kamera. Besonders sensibel ist dabei der Umgang mit den Nahtstellen vom Hier zum Historischen. Den alten 16­mm­Aufnahmen gestaltet Kovgan eine eigene, virtuelle Bühne, lässt aber umgekehrt auch immer wieder Bewegun­ gen über die Jahrzehnte hinweg verschmelzen.

Letzteres verleiht dieser Biografie ihre Aktualität, Ersteres „Cunningham“ eine Anziehungskraft, die weit über die Gruppe der Tanzinteressierten hinausreicht.

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