Leben statt Kindheit

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Dass es sich bei der jüngsten Erscheinung am österreichischen Filmhimmel, "Wie ich lernte, bei mir selbst Kind zu sein", um die Verfilmung "nach Motiven der gleichnamigen Erzählung von André Heller" handelt, erschließt sich spätestens beim Vorspanns des Films von Rupert Henning. Neben dem Regisseur zeichnet Österreichs TV-Drehbuchautor Nummer Eins, Uli Brée also, fürs Drehbuch des autobiografischen Heller-Stoffes verantwortlich. Das stellt von Beginn an eine Schwierigkeit dar, denn wer möchte nicht an die Authentiziät des vom Universalkünstler Heller ausgebreiteten Stoffes glauben.

Das beginnt bei der Mutter des jungen Protagonisten Paul im Film, bei der man Züge von Elisabeth Heller sucht, die bekanntlich erst vor einem halben Jahr verstorben ist -beinahe 104 Jahre alt. Diese Emma Silberstein entpuppt sich im Film als ferne, verhärmte wie unnahbare Frauensperson, die dem Wüten des Roman Silberstein nichts entgegenzusetzen weiß. Der exzentrische Süßwarenfabrikant, ein getaufter Jude, ist aus dem Krieg verbittert und völlig unausgeglichen zurückgekehrt und lässt dies nicht nur an seiner Frau aus, sondern auch an den beiden Söhnen -und da insbesondere am jungen Paul, der gewiss der kleine Franzi Heller (den "André" legt der sich erst später zu) ist.

Weil der Junior für des Vaters Geschmack viel zu unbotmäßig ist, steckt er den Teenager ins Jesuiten-Internat Attweg (im wirklichen Leben des André Heller war es bekanntlich das Kollegium Kalksburg am Stadtrand von Wien).

Man schreibt das Jahr 1959, und die zarte Seele von Paul wird von den gestrengen Patres oder dem Herrn Vater malträtiert. Das Ganze ändert sich erst mit dem Tod des Vaters, durch den sich die Frau Mama emanzipiert und den Sohn Paul auf dessen Wunsch aus dem Internat nimmt. Eine bittere Zeit beginnt, denn es stellt sich heraus, dass der Patriarch einen Riesenberg Schulden und sonst nichts hinterlässt. Aber des Vaters Brüder, die aus Montevideo ans Grab eilen, bringen die Wende in Pauls tristes Dasein. Vor allem Onkel Louis gelingt es, im jungen Mann Fantasie zu wecken, sodass er sogar seine Angebetete, das Mädchen Leonore, das sterbenskrank im Spital liegt, mit der Kraft der Liebe zum Leben zu erwecken sucht.

140 Minuten muss der Zuschauer bei dieser Entwicklung verweilen. Das ist definitiv zu lang für die aus zwei großen Teilen bestehende Filmerzählung -das Leben unmittelbar vor und das Leben unmittelbar nach dem Tod von Roman Silberstein. Ein TV-Zweiteiler wäre sich locker ausgegangen und scheint eher das Genre denn ein Kinofilm zu sein.

Trotz dieser mitunter lähmenden Länge reißt der Erzählbogen nicht ab, und die Schauspielleistungen passen sich perfekt in das großbürgerliche Ambiente am Beginn der Zweiten Republik ein: Allen voran ist der 14-jährige Valentin Hagg, der in seiner ersten Filmrolle diesem Paul das nötige ernste Leben einhaucht, zu nennen.

Karl Markovics gibt dem unausgeglichenen Vater Roman eine wirklich passende Gestalt, und die Figur der Mutter Emma ist bei Sabine Timoteo gut aufgehoben. Erwähnenswert auch André Wilms und Udo Samel als die exzentrischen Onkel Louis und Tibor, welche die Wende in Paulchen/Andrés Tristesse herbeiführen.

Wie ich lernte, bei mir selbst Kind zu sein Ö 2018. Regie Rupert Henning. Mit Valentin Hagg, Karl Markovics, Sabine Timoteo, André Wilms, Udo Samel. Filmladen. 140 Min.

Weil der Junior für des Vaters Geschmack viel zu unbotmäßig ist, steckt er den Teenager ins Jesuiten-Internat Attweg (= Kalksburg).

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