Milk - © Constantinfilm

"Milk": „Yes we can“ reloaded

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„Milk“: Ein oscarverdächtiger Sean Penn spielt Harvey Milk, den ersten offen schwulen Stadtrat in den USA. Patriotismus in der Obama-Zeit.

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„Milk“: Ein oscarverdächtiger Sean Penn spielt Harvey Milk, den ersten offen schwulen Stadtrat in den USA. Patriotismus in der Obama-Zeit.

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Yes we can. Der Slogan, der den Afroamerikaner Barack Obama ins Präsidentenamt gespült hat, war schon 30 Jahre früher aktuell: Der American Way of Life rekurriert auf solchen Spruch, und mehr als eine Heldenlegende kann damit auf den Punkt gebracht werden. „Hoffnung ist das, was wir ihnen geben müssen. Die Hoffnung auf eine besser Welt. Die Hoffnung auf eine bessere Zukunft.“ So lautet die Version des Spruchs, wie sie Harvey Milk im März 1978 zum Besten gegeben hat.

Milk war der erste erfolgreiche schwule Politiker der USA: 1970 zieht der ehemalige Lehrer nach San Francisco, dem Schwulen-Mekka – trotz polizeilicher Repressionen. Er eröffnet ein Foto-Geschäft und organisiert einen Boykott gegen die Brauerei Coors – wegen der unzumutbaren Arbeitsbedingungen dort. Im selben Jahr – 1973 – kandidiert Milk erstmals, aber erfolglos als Stadtrat von Frisco. Erst im dritten Anlauf wird er 1977 gewählt und zieht unter Bürgermeister George Moscone in die Stadtregierung ein. Er erreicht ein Antidiskriminierungsgesetz und kämpft erfolgreich gegen „Proposition 6“ des kalifornischen Senators John Briggs, mittels der alle homosexuellen Lehrer in Kalifornien aus dem Schuldienst entfernt werden sollen. „Proposition 6“ scheitert, doch Milk kann sich nicht lange seines politischen Erfolgs erfreuen. Denn am 27. November 1978 erschießt der irischstämmige Stadtratskollge Dan White Bürgermeister Moscone und Milk im Rathaus von San Francisco. Das milde Urteil für diesen Doppelmord (sieben Jahre wegen Totschlags) löst schwere Krawalle in der Stadt aus. White begeht 1985, ein Jahr nach seiner Entlassung, Selbstmord.

Ein amerikanisches Heldenleben

Ein amerikanisches Heldenleben wie jenes von Harvey Milk eignet sich vorzüglich zur filmischen Nachbehandlung durch Hollywood. Gus Van Sant, eine erste Adresse für solch patriotische Pflicht, nimmt sich dieses Lebens an und hat mit Sean Penn den goldrichtigen Mann an der Hand. Penn (Beste männliche Hauptrolle) ist ebenso wie Van Sant (Beste Regie) für den Oscar nominiert, daneben auch der ebenfalls großartige Josh Brolin (Beste männliche Nebenrolle), der Milks Gegenspieler und Mörder Dan White spielt. Mit insgesamt acht Oscar-Nominierungen – darunter auch für den Besten Film – kann „Milk“ aufwarten.

Der Nominierungsreigen korrespondiert zweifelsohne mit der Qualität dieses Films und zeigt gleichzeitig, dass sich Gus Van Sant mit diesem Opus ganz und gar aufs Mainstreamkino Hollywoods einlässt. Der politisch korrekt Zeitgeist der beginnenden Obama-Ära wird gekonnt bedient, ein Lehrstück aus der Zeit, als die Schwulenbefreiung begann, wird erzählt.

Beachtlich, wie dieser Film eine vergessene Facette der Emanzipation der US-Gesellschaft aufgreift. Dafür nimmt „Milk“ in Kauf, dass die Charaktere rollengemäß und ohne wirkliche Brüche gezeichnet werden: Harvey Milk ist gleichermaßen Lichtgestalt wie Schicksalsgebeutelter – der eine Lebensgefährte verlässt ihn wegen Milks politischer Ambitionen, der nächste begeht Selbstmord und lässt den Erfolgreichen einsam zurück, bis ihn das endgültige Schicksal ereilt. Und dagegen steht Dan White, der es geschafft, aber dann doch nicht geschafft hat, als jener Bösewicht, der die Guten in diesem Film (Milk und den Bürgermeister) auf dem Gewissen hat.

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