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"Slumdog Millionär": In steinigen Etappen zur Million

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Im Oscar-Abräumer "Slumdog Millionär" wagt es ein Bub aus den Slums in die Millionenshow - allein der Liebe wegen.

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Im Oscar-Abräumer "Slumdog Millionär" wagt es ein Bub aus den Slums in die Millionenshow - allein der Liebe wegen.

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Die meiste Zeit seines Lebens hat er in bitterster Armut zugebracht. Nun aber steht Jamal in der indischen Ausgabe der "Millionenshow" vor der letzten Frage. Dabei geht es ihm gar nicht um die 20 Millionen Rupien (rund 300.000 Euro), sondern darum, seine große Liebe Latika wiederzufinden. Mit seiner märchenhaften Story hat "Slumdog Millionär" bei der jüngsten Oscar-Verleihung insgesamt acht der begehrten Trophäen abgeräumt, unter anderem für den besten Film und die beste Regie. Ein durchaus verdienter Preisregen für einen Film, der mit berauschenden Bildern, dem ungeschönten Einblick in den Alltag der Ärmsten der Armen und nicht zuletzt einer großen Liebesgeschichte besticht.

Der Streifen setzt im Hinterzimmer einer Polizeistation ein, wo der 18-jährige Jamal (Dev Patel) von Beamten gefoltert wird. Er muss geschummelt haben, lautet der Verdacht, denn wie soll ein ungebildeter "Slumdog", wie ihn die Polizisten nennen, ein Hund aus den Slums, sonst die Fragen der Quizshow beantworten? Doch der Beschuldigte macht im Rückblick glaubhaft, dass sich die richtigen Antworten allesamt aus seiner Biografie ergeben haben.

Geboren ist Jamal in Dharavi, dem größten Slum der indischen Metropole Mumbai, wie man Bombay neuerdings zu nennen hat. Ethnische Ausschreitungen machen ihn und seinen älteren Bruder Salim zu Waisenkindern. Nachdem sich die elternlose Latika dem Brüderpaar anschließt, geraten die drei in die Fänge skrupelloser Verbrecher, die Straßenkinder einsammeln und zum organisierten Betteln zwingen.

Alltag der Straßenkinder

Als Jamal geblendet werden soll - blinde Kinder sind einträglicher - ergreifen die Brüder die Flucht. Latika bleibt zurück, doch Jamal kann das Mädchen nicht vergessen. Jahre später kreuzen sich ihre Wege abermals, doch diesmal ist es Jamal, der alleine zurückbleibt.

Jamal findet schließlich sein Auskommen als Teeservierer in einem Callcenter, Salim (Madhur Mittal) schlägt eine kriminelle Karriere ein und Latika (Freida Pinto) endet als die geknechtete Ehefrau von Salims Boss. Mit der Teilnahme an der Millionenshow versucht Jamal, Latika für sich zu gewinnen. Doch er hat nicht nur mit den schwierigen Fragen zu kämpfen, sondern auch mit dem diabolischen Showmoderator: Armin Assingers indisches Äquivalent (Anil Kapoor), selbst ein Kind des Slums, tut alles, um Jamal zum Scheitern zu bringen. Bollywood-Superstar Shahrukh Khan, der die reale indische "Millionenshow" moderiert, hat die unsympathische Rolle übrigens abgelehnt.

Intensiv, laut und schnell

Damit kein Missverständnis aufkommt: "Slumdog Millionär" ist kein Bollywood-Film. Gesungen und getanzt wird in der britisch-amerikanischen Produktion erst während des Abspanns, als Verbeugung vor dem indischen Kino. Seine visuelle Kraft schöpft der Streifen nicht aus perfekt choreografierten farbenfrohen Bildern, sondern aus rasanten Schnitten, ungewöhnlichen Blickwinkeln und schlicht und einfach aus der Faszination der Originalschauplätze. Der britische Regisseur Danny Boyle ("Trainspotting", "The Beach") und sein Team sind dem Elendsquartier, der brodelnden Metropole und der indischen Provinz teilweise mit Digitalkameras zu Leibe gerückt und haben auf diese Weise ein hohes Maß an Authentizität erreicht.

Fast wäre der Film vorzeitig in der Versenkung verschwunden. Es spielen ausschließlich indische Schauspieler, teils absolute Newcomer, teils etablierte, aber im Westen weitgehend unbekannte Bollywood-Darsteller. Die Kindheitsschilderungen in "Slumdog Millionär" sind ungewohnt ungeschminkt und niederschmetternd. Die Produktionsfirma erkannte das Potenzial des Films nicht und hätte ihn um ein Haar nur auf DVD herausgebracht. So schmal ist der Grat zwischen einem Oscar-Erfolg und einem Flop, der schließlich als Billigangebot verramscht wird.

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