Vom Slumhund zum Millionär

Werbung
Werbung
Werbung

Dieses Jahr hoffte Österreich auf einen weiteren Auslands-Oscar und ging mit Götz Spielmanns „Revanche“ leider leer aus. Doch mit etwas Glück hätte ebenso eine indische Produktion Ruhm über Österreich bringen können, denn üblicherweise spielen in Bollywood-Produktionen einige Szenen in den Bergen, und diese werden nicht selten in Österreich gedreht, seitdem das gebirgige Grenzland zu Pakistan politisch zu unruhig geworden ist.

Selbst das blieb aus, denn keine klassische hindi Bollywood-Produktion (Produktionsort Mumbai) oder eine tamilische Kollywood-Produktion (Produktionsort Kodambakkam) war im Rennen um die Academy-Awards. Im Gegenteil, „Slumdog Millionaire“ ging als ungewöhnliche britisch-indische Produktion als großer Sieger der 81. Oscarverleihung hervor. Mit nicht weniger als acht Auszeichnungen wurde der Film des Regisseurs Danny Boyle (Co-Regie Loveleen Tandan) am vergangenen Sonntag geehrt, darunter Bester Film, Beste Regie und Bester Original-Song („Jai ho“). Der Film besticht damit, dass er mit europäischen Augen auf die Lebenssituation eines Jungen blickt, der im größten Slum Asiens aufwächst. Dharavi heißt das 1,75 Quadratkilometer große Gebiet, in dem in Blechhütten und Baracken mehr als eine Million Menschen vor den Toren Mumbais hausen. Das Elend wird in „Slumdog Millionaire“ nicht wie in den Bollywood-Filmen geschönt. Wenngleich diese farbenfrohen Klischeeproduktionen, an die sich der Oscargewinner kaum anlehnt, immer öfter auch die Veränderungen und Probleme des Subkontinents, die durch die Globalisierung und die Verstädterung hervorgerufen werden, thematisieren.

Boyles Märchen kam mit rund 15 Millionen Dollar an Produktionskosten aus, im Vergleich dazu versenkte der große Verlierer dieses Jahres „Das seltsame Leben des Benjamin Button“ rund das Zehnfache. Der Brite, der 1996 mit dem Film „Trainspotting“ für Aufsehen sorgte, zeichnet das Leben des Slumjungen Jamal Malik in Rückblenden nach, während dieser auf dem „heißen Stuhl“ der indischen Variante der TV-Show „Wer wird Millionär“ sitzt und eine Frage nach der anderen richtig beantwortet. Ein Ding der Unmöglichkeit, ein Slumjunge kann nicht so viel wissen … und das Märchen nimmt seinen Lauf. Der Zuseher bekommt Einblicke in das Leben der Kinder im Slum und ihren täglichen Kampf ums Überleben – die Darsteller Rubina Ali und Azharuddin Ismail leben selbst in Dharavi. Ebenso wird die Grausamkeit alltäglicher Glaubensstreitigkeiten thematisiert. All dies sind Fakten, die Teile der indischen Filmindustrie nicht erfreut haben, denn den Subkontinent als armes, unterentwickeltes Land auf den Leinwänden der Welt zu sehen, gefiel gar nicht. Bis die Oscars über die Produktion hereinbrachen. Boyle zeigt aber nicht nur Sozialkritisches schonungslos, wenn etwa Verbrecher Straßenkinder einsammeln und ihnen ihr Augenlicht genommen wird, um sie dann in die Stadt zum Betteln zu schicken. Der Brite lässt vor allem der Liebe sehr viel Raum und outet sich als wahrer Romantiker, ohne tief in die Kitschkiste zu greifen: So bleiben Massen-Tanzeinlagen bis auf eine einzige aus, doch die hat es in sich und entlässt den Zuseher mit einem guten Gefühl aus dem Kino. Der Film wirkt dennoch nicht naiv und kindlich, zu tragisch ist Jamals Odyssee. Ein Film, der verzaubert, und ein cineastisches Erlebnis, nicht nur für Fans des Subkontinents, sondern für alle Liebhaber guter Geschichten. „Slumdog Millionaire“ ist ab 20. März in den heimischen Kinos zu sehen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung