Luanas Schwur. - © Einhorn

Wenn Frau zum Mann wird – „Luanas Schwur“

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Bujar Alimanis Spielfilmdrama „Luanas Schwur“ öffnet den Blick in die albanische Gesellschaft und deren Möglichkeit, als Frau das archaische Patriarchat jedenfalls im Ansatz zu überwinden.

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Bujar Alimanis Spielfilmdrama „Luanas Schwur“ öffnet den Blick in die albanische Gesellschaft und deren Möglichkeit, als Frau das archaische Patriarchat jedenfalls im Ansatz zu überwinden.

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Film ist eine Kunstform. Aber gerade Kunst kann gesellschaftliche Verhältnisse zur Sprache bringen, und seien diese noch so ungewöhnlich. Über Albanien lehrt die Halbbildung, dass hier archaisch-patriarchale Strukturen vorzufinden sind und Konflikte per Blutrache „gelöst“ werden.

Bujar Alimanis Spielfilmdrama „Luanas Schwur“ eröffnet da eine Welt, die sich auch dem europäischen Blick weitgehend entzogen hat. Denn das harte Schicksal eines albanischen Freigeistes, das hier thematisiert wird, zeigt auch überraschende Mechanismen auf, die jedenfalls starre Geschlechteridentitäten aufbrechen.

Bis 1990 herrschte im Nachkriegs-Albanien die Diktatur des Enver Hoxha, in der ab 1967 jede Religion verboten war. In den Dörfern der albanischen Alpen ließ sich das zwar kaum durchsetzen, aber die bürgerlichen Intellektuellen, die vor den Kommunisten aus den Städten dorthin flohen, fanden sich in der archaischen Enge auch nicht zurecht.

Luana, die Tochter einer Dorffamilie, schließt da fatalerweise Freundschaft mit dem aus der Stadt geflohenen Akademikerbuben Lule, der ihr Lesen beibringt und in den sie sich verliebt. Aber Luana ist einem jungen Mann einer anderen Familie versprochen: Als dieser im Streit um seine Braut Luanas Vater erschießt, gerät Luana erst recht zwischen alle Fronten: Nur wenn sie den ausgesuchten Bräutigam, also den Mörder ihres Vaters, heiratet, wird wieder Frieden im Dorf einkehren.

Das ist dennoch keine Option für Luana, und als ein Fluchtversuch mit Lule, dessen Familie übers Meer nach Deutschland entkommt, scheitert, nimmt sie bei der Tradition der „Schwurjungfrau“ Zuflucht: Wenn eine Frau sex- und ehelos lebt, kann sie in dieser Gesellschaft zum „Mann“ werden, das heißt, sie bekommt dieselben Rechte wie ein Mann. Luana wird zu Jack und erringt so ihre eigene Freiheit, aber nicht nur diese.

Wer hätte gedacht, das Transgenderthema in dieser traditionellen Gesellschaft bereits vorzufinden? Auf dieser „Sitte“ baut Regisseur Alimani sein Drama auf und erzählt es in drei Zeitebenen – 1958, 1968 (als der atheistische Staat schon Wirklichkeit war und Luana verheiratet werden soll) und 1990 (nachdem die Hoxha-Diktatur gefallen war). Der Film lebt vor allem von Hauptdarstellerin Rina Krasniqi, die als Frau wie als „Mann“ vollends überzeugt. Dass sie 2022 beim Filmfestival im kosovarischen Prishtina gleichzeitig als beste Schauspielerin und als bester Schauspieler ausgezeichnet wurde, ist da nur folgerichtig.

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