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Ein "Reiseführer" zu Orten der anderen Art: zu Mumien in österreichischen Sammlungen und Grüften.

Was macht die Faszination von Mumien, von Menschen, die über den Tod hinaus ihre vergängliche Hülle behalten haben, aus? Tragen sie der Sehnsucht der Menschheit nach Unsterblichkeit Rechnung oder wird an ihnen nur blanker Voyeurismus befriedigt? Die Autoren sind sich der Gratwanderung und Verantwortung zwischen Persönlichkeitsrechten der Verstorbenen und öffentlichem Interesse sehr wohl bewusst.

Von Ägypten bis zum Ötzi

Gert Baumgart, Wissenschaftsjournalist, und Hagen Schaub, Historiker, versuchen eine Bestandsaufnahme der in Österreich befindlichen Mumien - ohne den Anspruch auf Vollständigkeit - und informieren über medizinische Erkenntnisse, Essgewohnheiten bis hin zur sozialen Stellung der Verstorbenen, welche mit heutiger Technik aus den Untersuchungen von Mumien gezogen werden können.

Beginnend bei den altägyptischen Mumien, die vor allem im 19. Jahrhundert nach Österreich gelangt sind, bis zu jenen Mumien, die gerade in dieser Zeit entstanden und heute in Schausammlungen, Grüften und Museen lagern. Gespickt mit Anekdoten und zum Teil makaber, aber immer mit dem nötigen Respekt wird das Thema lesenswert dargestellt. Natürlich wird auch die bestuntersuchte Mumie mit Österreichbezug nicht ausgelassen - auch wenn ihr einige Meter zum wirklichen Österreich fehlen -, nämlich der Ötzi.

Die Technik der Mumifizierung - die Mumien sind entweder zufällig entstanden wie Moorleichen und Verunglückte in Salzbergwerken oder wurden bewusst hergestellt - wird anschaulich beschrieben, aber auch die obskuren Anwendungen von "Mumienstaub" als Grundlage von Arzneien in der Volksmedizin. Einige Mumien und Mumienteile lagern heute noch in Apotheken, die meisten befinden sich jedoch in kirchlichen Grüften und Klöstern und sind beschränkt auch öffentlich zugänglich.

Von Tirol bis Wien

Der zweite Teil des Buches liefert wie ein Reiseführer die Informationen zu Öffnungszeiten, Besuchsmöglichkeiten und wissenschaftliche Erkenntnisse zu den einzelnen beschriebenen Mumien, gegliedert nach Bundesländern. Gerade der Zugang und Umgang der Österreicher mit dem Tod und dem Leben nach dem Tod, der in einer morbiden Grundstimmung und der Aussage einer "schönen Leich" gipfelt, wird hier als kulturgeschichtliches Kuriosum verdichtet und dargestellt.

Nicht jedermanns Sache

Der Anblick von Mumien ist nicht jedermanns Sache, die Bilder im Buch dienen der Illustration und sie sind natürlich aussagekräftiger als trockene Beschreibungen. Wer hat schon den mumifizierten Kopf des Komponisten Anton Bruckners gesehen? Viele der Exponate dienten lange Zeit als wissenschaftliche Exponate zu Ausbildungszwecken, wie die "Stopfpuppe" des Wiener Narrenturms, oder Exponate im Wiener Kriminalmuseum wie der mumifizierte Kopf eines Hingerichteten. Kuriose Details wie das unsachgemäße "Reinigen" von Mumien, Mumiendiebstahl aus Grüften bis in heutige Zeit werden ebenso beschrieben wie der Besucherandrang zu einzelnen zugänglichen Mumien.

Ein ausführliches Literaturverzeichnis, die genaue Quellenangabe der Abbildungen und ein umfangreiches Stichwortregister vervollständigen dieses einmalige Werk. Die grundsätzliche Frage, ob überhaupt Mumifizierte "ausgestellt" werden sollen oder dürfen, bleibt allerdings offen, die Beantwortung jedem Leser selbst überlassen.

Der Ewige Leib

Mumien in österreichischen Sammlungen und Grüften

Von Gert Baumgart und Hagen Schaub

Verlagshaus der Ärzte, Wien 2003

134 Seiten, zahlr. Abb., brosch., e 14,90

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