Abschied von Suhrkamp

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"Eine Verlagsleitung, das ist immer ein Prinzip, ein Wappen, eine Kultur." Auf wenige Verlage trifft das so zu wie auf Suhrkamp, von dem sich Martin Walser mit diesen Worten verabschiedet hat. Suhrkamp war der Maßstab, welche Literatur, welche Denker im deutschsprachigen Raum zählten. War, wie es scheint. Denn seit dem Tod des Verlegerpatriarchen Siegfried Unseld im Jahr 2002 ist das Kultur-Flaggschiff Suhrkamp im Trudeln: Der Stiftungsrat, bestehend aus namhaften Autoren, ist zurückgetreten, wichtige Personen wie Geschäftsführer Günter Berg oder Lektor Thorsten Arend haben den Verlag verlassen.

"Ein Verlag, das sind Menschen." Das ist ein zweiter wichtiger Satz im Abschiedsbrief Martin Walsers an Suhrkamp. Dass es in Verlagen - wie in anderen Betrieben der Medienbranche - auf das geistige und kommunikative Potential der "Mitarbeiter" und nicht nur auf geschickte Geschäftsführung ankommt, wird heute gerne vergessen. Man kann Martin Walser dankbar sein, dass er das öffentlich deutlich macht. Und zeigt, dass Autoren nicht Eigentum der Verlage sind.

Dass Walser auch die Rechte an früheren Büchern mitnehmen kann, ist gegen alle Usancen. Unseld selbst hat ihm das vertraglich zugesichert - offenbar eine Politik der verbrannten Erde nach dem Motto: Suhrkamp bin ich, und wenn ich nicht mehr bin, soll auch der Verlag nicht mehr derselbe sein.

Martin Walsers Bücher werden bei Rowohlt erscheinen: im Herbst der Roman "Augenblick der Liebe", im nächsten Frühling der Essayband "Die Verwaltung des Nichts". Kann dem Leser der Verlagswechsel also egal sein? Nein. Denn vieles spricht dafür, dass Suhrkamp - wie der Residenz Verlag in Österreich - seine beherrschende Stellung verliert. Und dann ist die deutschsprachige Kultur nicht mehr dieselbe.

cornelius.hell@furche.at

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