Aufklärer, Humanist und Bildungs-Bürger

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Das letzte Mal hat er sich vor knapp einem Jahr in der FURCHE zu Wort gemeldet. Mit einem schlichten Leserbrief. In der dem Genre geschuldeten Kürze verdichten sich darin die wesentlichen Gedanken und Prinzipien des Autors; nun, da Marian Heitger am Karsamstag im 85. Lebensjahr gestorben ist, lässt sich der Text auch als ein kleines Vermächtnis lesen.

"Werte kann man nicht lernen, wenn man den Menschen nicht seiner Freiheit berauben will, ihn von den gerade herrschenden Werten abhängig machen will“, hieß es da - gegen so manche, etwa mit dem Ethikunterricht verbundene, pädagogische Illusion. Und dann setzte Heitger, präzise wie sein Denken war, fort: "Wohl aber muss der Mensch das Werten lernen, um nicht der Vielzahl gängiger Werte, wie sie der Zeitgeist gerade produziert, hilflos zu verfallen.“ Hier klingt ein zentrales Motiv des Erziehungswissenschaftlers Marian Heitger an: Freiheit gegen Beliebigkeit. Genauer: der durch Bildung zum eigenen Urteil und zur eigenen Entscheidung befähigte Mensch kann dem im freundlichen Gewande einhergehenden Diktat der Gleichgültigkeit (auch im Sinne von Gleich-Gültigkeit) entgegentreten.

"Teilhabe an Wahrheit mittels Vernunft“

Dieser aufklärerisch-humanistische Impetus zieht sich durch das wissenschaftliche und publizistische Wirken Marian Heitgers. Nicht zuletzt in zahllosen Gastkommentaren - etliche davon auch in der FURCHE - hat Heitger seine Grundsätze auch in aktuelle politische Debatten eingebracht. Damit hat er sich nicht nur Freunde gemacht, hielt er doch so manches, was im bildungspolitischen Common Sense als fortschrittlich gilt, für falsch. So einer bekommt dann rasch das Etikett "reaktionär“ verpasst, womit er tendenziell als für den öffentlichen Diskurs disqualifiziert gilt. Indes, Heitger legte sich nicht nur mit dem meinungsbildenden linksliberalen Mainstream an; mindestens ebensosehr galt die Kritik des (Wert-)Konservativen den eigenen Gesinnungsfreunden. Ihnen warf Heitger eine ökonomistische Verengung des Bildungsbegriffs vor. Bildung werde demnach nicht mehr als Wert an sich, sondern bloß noch als Mittel zum Zweck betrachtet. Dass, nebenbei bemerkt, einzig der Bildungssprecher der FPÖ, aber niemand aus der ÖVP auf Heitgers Tod reagiert hat, sagt wenig über den Verstorbenen aber viel über die Volkspartei aus …

"Progressive Teilhabe an Wahrheit mittels vernünftiger Argumentation“: Mit diesen Worten hat der Erziehungswissenschaftler Oliver Bertsche in einer Monografie über Heitger ("Erziehungswissenschaft als Systematische Pädagogik“, Würzburg, 2010) beschrieben, worum es diesem stets zu tun war. Als Motto ist dem Buch ein Cato-Zitat vorangestellt: "Tu si animo regeris, rex es“ ("Wenn Du vom Geist geleitet wirst, bist Du ein König“; im Original noch ergänzt um "si corpore, servus“ - "wenn vom Körper, dann ein Sklave“). Für dieses "Königtum“, diese "königliche“ Autonomie hat sich Marian Heitger zeitlebens eingesetzt. Weil er wusste, dass sie den Menschen vor totalitären Versuchungen aller Art am besten schützt. Und weil ein solcherart fundiertes Menschenbild auch jedweder Verzweckung oder Instrumentalisierung des Menschen entgegensteht. Für den Katholiken Marian Heitger war diese Autonomie kein Widerspruch zum Glauben - vielmehr Desiderat einer Kirche mündiger Christen.

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