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Salzburgs Juden

Salzburg ist voll mit Stätten jüdischer Erinnerung - und bis in jüngste Zeit voller Antisemitismus. Beides hat der seit 2000 in Salzburg lebende amerikanische Historiker Stan Nagel mit dem nicht durch Gewohnheit getrübten Blick eines Fremden dargestellt. An zwei gut nachzuvollziehenden Routen führt es durch die Salzburger Alt-und Neustadt und fördert dabei Erstaunliches und Erschreckendes zutage: von der Verbrennung aller siebzig in Salzburg lebenden Jüdinnen und Juden im Jahr 1404 - unter dem Vorsitz des Erzbischofs, dessen Bruder später die Eigentumsrechte an der Synagoge erhielt - bis zum aggressiven Antisemitismus der Nachkriegszeit und zur Tatsache, dass Salzburg erst im Jahr 2000 zu einer Gedenktafel für Theodor Herzl überredet werden konnte, der als junger Mann hier seine Praxisjahre absolviert hat.

Geschildert wird auch die beschämende Auseinandersetzung um den Stefan-Zweig-Weg; wie intensiv sich die heutigen Eigentümer der Zweig-Villa, die Inhaber des Kleiderhauses Gollhofer, gegen eine Gedenktafel wehrten (der Lodenjanker kann in Salzburg sehr intolerant sein), blieb aber offenbar auch dem Autor verborgen, der diesen dringend notwendigen Salzburg-Führer verfasst hat. Er weist einem Wege, auf denen man die Festspielstadt mit anderen Augen sehen lernt. Und wenn er zeigt, wie sich die US-Armee schamlos an gestohlenem jüdischem Eigentum bereicherte, dass Sinti und Roma nach Kriegsende in Salzburg oft noch mehr zu leiden hatten als die Juden oder dass ausgerechnet der stockkonservative Erzbischof Georg Eder eines der prägnantesten christlichen Schuldbekenntnisse gegenüber den Juden formulierte, dann lösen sich bei diesen Rundgängen immer wieder Denk-Stereotype verschiedenster Herkunft auf. CH

EIN FÜHRER DURCH DAS JÜDISCHE SALZBURG

Von Stan Nadel. Aus dem Engl. von Daniela Ellmauer und Sylvia Hahn

Jung und Jung Verlag, Salzburg 2005 127 Seiten, brosch., Euro 25,-

Serbien und Berlin

Der in Berlin lebende serbische Lyriker Bora Cosic gehört zu den Großen der internationalen Poesie. Seine antiklassisch-unregelmäßigen Gedichte sind in den Bildern ebenso stark ist wie in den insistierenden Reflexionen und überblenden Gegenwart und Vergangenheit, serbische Reminiszenzen und Wahrnehmungen in Berlin, Stadt-Bilder und medizinische Terminologie ("Die Spree-Trunkenheit Berlins / zu viel Alkohol in seinem Blut / Schlachten Leid Geschichte / haben den Laborbefund getrübt ..."). Der internationale Blick von Cosic ist nirgends fest verankert, aber hat viele topografische und poetische Anhaltspunkte. Eine "tagebuchartige Abrechnung mit dem zwanzigsten Jahrhundert" nannte Milo Dor diese Gedichte und bekannte, dass er sie selbst gerne geschrieben hätte; der faszinierende deutsche Text sollte Dors letzte publizierte Übersetzung werden.CH

IRENAS ZIMMER

Gedichte. Von Bora Cosic. Aus dem Serb. von Milo Dor. Folio Verlag, Wien-Bozen 2005, 127 S., brosch., Euro 19,50

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