Burgenland als Grenzmark

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Eine Biographie über den Nationalsozialisten Tobias Portschy.

Anfang der 1990er-Jahre wurde Tobias Portschy wieder bekannt: In Egon Humers Film Schuld und Gedächtnis präsentierte er sich als einen, der dem Nationalsozialismus auf immer treu blieb und nichts bereute. "Totschweigen" wurde zum Synonym für seinen Alterssitz Rechnitz, wo im April 1945 eines der letzten Massaker an ungarischen Juden auf ihrem Todesmarsch gen Mauthausen verübt wurde, das bis heute unaufgeklärt blieb. Das Attentat von Oberwart 1995 lenkte die Aufmerksamkeit wieder auf Portschys Denkschrift Die Zigeunerfrage aus dem Jahr 1938. Schließlich stammte er aus einem Nachbarort von Oberwart und war einer von jenen, die nach dem "Anschluss" die Radikalisierung der Nazi-Politik gegen Roma und Sinti vorantrieben. Im Burgenland und in der Steiermark war dieser "Prediger des Nationalsozialismus" auch nach 1945 bekannt geblieben. Seine vielfältigen Kontakte zu Politik und Wirtschaft, seine Reden und Denkschriften, vor allem aber das riesige Anschlussdenkmal in Oberschützen, das er 1938 initiierte, hatten seinen Namen bei vielen eingeprägt.

Die junge Historikerin Ursula Mindler hat nun erstmals eine Biographie dieses Nationalsozialisten bis 1945 vorgelegt. Anhand seiner Tagebücher, die er "zum Andenken seines Lebens" verfasste, und anhand minutiöser Quellenstudien stellt die Autorin die zwei Leben Portschys dar: jenes, das er führen wollte, und das er sich geschrieben hat, und jenes, das er wohl geführt hat. Damit zeichnet sie den Entwicklungsweg eines Nazi-Funktionärs nach, wie es etliche in Österreich gegeben hat.

Portschy war fest im protestantisch-deutschnationalen Milieu Westungarns verhaftet. Der Nationalsozialismus schien ihm als Hoffnung einer neuen Zeit und als Erfüllung der Mission des Burgenlandes als "deutscher Grenzmark". Daher baute er hier mit aller Kraft die NSDAP auf und wollte als neuer Landeshauptmann das Burgenland zum nationalsozialistischen Musterland machen. Unter seiner Führung wurde es zum ersten "judenreinen Land" des "Dritten Reichs" und zum Impulsgeber in Hinblick auf die Verfolgung der Roma und Sinti. All sein Ehrgeiz konnte aber die Auflösung des Burgenlandes nicht verhindern. Fortan sollte er nur noch Gauleiterstellvertreter in der Steiermark sein. Portschy wurde damit auch zum Beispiel jener österreichischen Nazis, denen die Erfüllung ihrer Ziele trotz und auch wegen ihrer Radikalisierung verwehrt blieb. Er wurde zugleich zum Beispiel für einen, dem es gelang, andere aufzuhetzen, aber die eigenen Hände sauber zu halten. Ihm konnten weder eine Gewalttat, der Befehl zu Ermordungen oder persönliche Bereicherung durch Arisierungen nachgewiesen werden. Seine Zurücksetzung kompensierte er durch einen Lebensentwurf, der durch Übertreibungen geprägt war, die sein Bild erst nach dem Ende der Nazizeit prägen und ihn unnahbar machen sollten.

Der Umgang mit Persönlichkeiten wie Portschy ist oft durch Gerüchte geprägt - darüber, was sie im "Dritten Reich" und im Krieg gemacht haben, mit wem sie sich in Hinterzimmern unter dem Führerbild treffen und welcher Einfluss ihnen noch zukommt. Viele meinen, etwas über sie zu wissen, aber kaum einer fragt genauer nach. Wer sich wie Mindler daran wagt, ihre Biographie zu verfassen, wird nicht selten mit dem Vorwurf konfrontiert, solchen Typen auch noch "zu viel Ehre anzutun".

Diese Arbeit zeigt jedoch, wie es möglich ist, sich umsichtig und differenziert mit Personen wie Portschy auseinanderzusetzen, und welch wichtiger Beitrag zur Geschichte des Nationalsozialismus in Österreich damit geleistet werden kann. Indem diese Biographie ausführlich auf das Netzwerk eingeht, in und mit dem Portschy agierte, zeigt sie, wie sich die nationalsozialistische Bewegung in einem regionalen Umfeld entwickeln, durchsetzen und nachwirken konnte. Zu einem Zeitpunkt, an dem die letzten Mitglieder dieser Bewegung sterben und die lokale Erinnerung an sie verblasst, werden Arbeiten wie diese daher besonders wichtig. Sie bewahren davor, den Nationalsozialismus auf wenige Gesichter, große Massen und große Städte zu beschränken.

Tobias Portschy

Biographie eines Nationalsozialisten

Von Ursula Mindler

Burgenländische Forschungen,

Eisenstadt 2006

246 Seiten, geb. € 18,00

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