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100 Jahre nach der Czernowitzer Jiddischen Sprachkonferenz: Der 96-jährige Josef Burg gilt als letzter Zeuge.

Noch lebt Josef Burg, 96-jährig, in seiner kleinen Wohnung in Czernowitz, mehrfach schon totgesagt, wie das Jiddische, in dem er schreibt. Im vergangenen November ist ihm seine Frau Nina gestorben, er ist blind und kann nicht mehr lesen, die Pension reicht nicht für die notwendige Pflege.

Aber: "Es sterben nur jene, die auf Erden keine Spuren hinterlassen haben", heißt es in der liebevollen Hommage an die Schauspielerin Sidi Thal in dem schmalen Bändchen "Mein Czernowitz", das ein Radio-Interview enthält und zwei kleine Erzählungen. Als Hilfeschrei für den Notleidenden wurde es vor kurzem von "Kulturkontakt Austria" in Erinnerung gerufen.

Eine Persönlichkeit

Wie in jeder seiner Geschichten schreibt Burg in jener unverwechselbaren und wirkungsvollen Rhetorik der Gefühle, "die aus der langen Tradition jüdischer Weisheit schöpft".

Josef Burg gilt als der letzte Zeuge jiddischer Kultur vor 1941 in Czernowitz, das, als er geboren wurde, noch der Habsburger Monarchie angehörte. Wer ihn je erlebte, lesend oder sprechend, in Czernowitz oder in Wien, konnte sich dem Eindruck seiner authentischen Persönlichkeit nicht entziehen. In seinem wichtigsten Erzählband "A farschpetikter Echo" (Ein verspätetes Echo), vor zehn Jahren bei uns zweisprachig erschienen, klingen sein Leben und seine Sehnsucht nach der jüdischen Welt der Kindheit und Jugend in der Bukowina auf.

Josef Burg, der 1934 bis 1938 in Wien Germanistik studiert hatte, ist sosehr mit dem Jiddischen verwachsen, dass er z. B. Sidi Thals Geburtsjahr 1912 - das übrigens auch seines ist - mit "vier Jahre nach der Sprachenkonferenz" benennt. Als müsste doch jeder wissen, dass am 30. August 1908 in Czernowitz von Größen wie Nathan Birnbaum, Scholem Aleichem und Itzhak Leib Peretz der legendäre Versuch gestartet wurde, das Jiddische, sogar von vielen gebildeten Juden verächtlich "Jargon" genannt, auf einer internationalen Konferenz zur jüdischen Nationalsprache zu erheben. Im selben Jahr war in Czernowitz das selbstbewusste "Jüdische Nationalhaus" in imposantem Neobarock fertiggestellt worden. Ein Foto davon (aber nur wer es kennt, erkennt es) ziert Josef Burgs Büchlein. Es zeigt, wie die vier Säulenträger der Fassade aus der Sklaverei ins Licht des Gelobten Landes treten.

Man muss feststellen, dass das Echo von den Geschehnissen in Czernowitz vor hundert Jahren heute kaum mehr vernehmbar geworden ist. Hubert Gaisbauer

Josef Burgs Bücher, darunter "Mein Czernowitz", können über den Hans Boldt Literaturverlag (D-21423 Winsen/Luhe, Röntgenweg 2; www.boldt-verlag.de ) bezogen werden.

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