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Norman Manea präsentiert in seinem "Selbstporträt" komplexe historische Zusammenhänge und reflektiert kritisch auch die eigene Person.

In den neunziger Jahren hat Norman Manea, jüdisch-rumänischer Schriftsteller im US-Exil, zwei Artikel geschrieben, die ihm wütende Reaktionen rumänischer Intellektueller einbrachten. Insbesondere seine Kritik an der "Sakralisierung" des Mythenforschers Mircea Eliade, dessen Unterstützung der rumänischen Faschisten in den späten dreißiger und vierziger Jahren meist verschwiegen worden war, wurde ihm übel genommen. Gerade in der kritischen Phase des Aufbaus einer postkommunistischen Gesellschaft sei es nicht zulässig, eine der wenigen weltberühmten rumänischen Persönlichkeiten in den Dreck zu ziehen.

Norman Maneas "Selbstporträt", das jetzt in einer auch stilistisch bravourösen Übersetzung vorliegt, verfolgt die vielen Zusammenhänge zwischen mehreren historischen Katastrophen. Manea war zwar erst fünf Jahre alt, als er 1941 mit seinen Eltern Hals über Kopf aus der Bukowina in die killing fields Transnistriens getrieben wurde. Aber die Erfahrung im Lager hat ihn dauerhaft geprägt, beeinflusste sowohl sein späteres Leben im sozialistischen Rumänien als auch seine Entscheidung, 1986 ins westliche Exil zu gehen.

Die Diskussion um die Vergleichbarkeit der Schreckenssysteme - Konzentrationslager versus Gulag - ist für Manea weitgehend irrelevant: "Die kommunistischen Greuel hatten die früheren nicht etwa ersetzt, sondern waren mit ihnen verschränkt." Die "Panik" des kindlichen Lagerinsassen besteht in der Nachfolgegesellschaft fort: "Für die im Getto Traumatisierten besteht kein Unterschied zwischen dem Polizisten des nationalsozialistischen Staates und dem Milizionär der sozialistischen Ordnung." Die "nationalsozialistisch" geprägte Politik Ceausescus war - trotz zeitweilig enger Kumpanei mit dem Westen - antisemitisch und knüpfte an Traditionen der rumänischen Faschisten an. Auch unter Ceausescu konnte ein Autor wie Manea in offiziellen Publikationen antisemitisch beflegelt werden. Der letzte Teil des Buchs, der einen nur zögerlich unternommenen Besuch des "Hooligan" wider Willen in Rumänien im Jahr 1997 dokumentiert, beweist die epochenübergreifende Kontinuität dieser antisemitisch-nationalistischen Geisteshaltung. Manea führt deutlich vor Augen, dass die Strategie, durch eine Rehabilitation der "nationalen Rechten" das Gespenst des Kommunismus austreiben zu wollen, völlig kontraproduktiv ist, da die grundlegenden Ideologeme der Tyrannei nicht in Frage gestellt werden. Hier ergeben sich deutliche Parallelen zu den Rumänien-Bildern rumänisch-deutscher Autoren wie Herta Müller oder Richard Wagner, die sich natürlich in einer anderen, hinsichtlich der Restriktionen aber auch sehr ähnlichen Situation befanden.

Bemerkenswert an Maneas "Porträt" ist nicht bloß die autobiografische Repräsentation komplexer historischer Zusammenhänge, sondern auch die kritische Selbstreflexion der eigenen Person und der eigenen Diskurse. Hatte sich der Bauingenieur durch seinen "neutralen" technischen Beruf zunächst abseits von Geschichte und Politik halten wollen, stilisiert er sich im Schriftstellerdasein als "dummer August" - ein "Paria, ein armer Schlucker, der unter Johlen der Menge Tritte in den Hintern kassiert". Ihm gegenüber steht die zweite, ebenfalls aus Maneas früheren Werken bekannte, gesellschaftliche Grundfigur, der "weiße Clown ... der Chef, der Herr, die Autorität". Was zunächst wie Selbstmitleid aussieht, erweist sich schließlich als Verweigerung einer Darstellung, in der "öffentliches Erinnern die Schrecken zu Klischees" macht. Der dumme August kann gar kein Ankläger sein, vielmehr ist er ein scheinbar naiver, unauffälliger und scharfer Beobachter vor allem der Machtdiskurse, die Manea in so vielen Schattierungen erlebt hat.

Norman Manea befürchtete, dass sein "wahres Zuhause", die Sprache, nach seiner Übersiedlung an das idyllische Bard College im Staat New York zu einem Schneckenhaus schrumpfen könnte. Sein höchst lesenswerter autobiografischer Versuch beweist das Gegenteil. Wie so viele Exilanten eröffnet er Zugang zu bislang noch kaum verständlichen Widersprüchen des Landes seiner Herkunft und lädt damit zum Dialog ein.

Die Rückkehr des Hooligan

Ein Selbstporträt

Von Norman Manea. Aus dem Rumän. von Georg Aescht. Hanser Verlag, München 2004. 414 Seiten, geb., e 25,60

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