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Die grellsten Farben der Palette

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DIE PALETTE. Von Hubert Fichte. Ro- wohlt-VerUr. 3 5 Seiten. S 70.—.

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DIE PALETTE. Von Hubert Fichte. Ro- wohlt-VerUr. 3 5 Seiten. S 70.—.

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Hubert Fichte, der gerne reist, Revolutionen und die Frauen liebt und dessen „Weisenhaus“ 1966 mit dem Hesse-Preis ausgezeichnet wurde, hat vor einiger Zeit den Roman „Die Palette“ herausgebracht. Es ist kein schlechtes Buch.

Die „Palette“ ist ein Hamburger Beatlokal, eine Kneipe, in der Leute

mit Namen wie Halleluja, Do you know Basel, Loddl, Schudl, Fenster- putzerkarl, Jäcki, Nina die Herrliche oder Reimar Renaissancefürstchen, verkehren. Irre Typen, Herumtreiber, Gammler, Ganoven, Randalierer, Drogenesser, Haschisch- inhalierer, wilde Figuren.

Mit diesen wilden Figuren trifft "rieh der wandelbare Jäcki in de- Palette, mit ihnen zieht er herum und macht all das — oder fast all das — was ihnen die sogenannte bürgerliche Gesellschaft ihnen vorwirft. Mit der Zeit macht sich in der Gruppe aber eine zunehmende faschistische Tendenz bemerkbar, bis schließlich die Wendung offensichtlich wird: „Heidi will in die neue Partei eintreten.

Aus den Buchstaben NSDAP fehlen nur die Buchstaben SA. Heidi entdeckt den deutschen Osten in sich und die Heiligkeit des Lebens und die Sauberkeit und die saubere Zukunft für die Kinder und:

— Die mußte man ja vergasen! und:

— Die „Palette“ war die Hölle! Die Sache liegt bei Fichte natürlich nicht so einfach, daß er mit der allzugrellen Palettenwelt eine Alternative zur allzu sauberen und klaren Welt der deutschen Bürger aufstellt. Die Alternative stimmt nicht, denn sie erfüllt keine Hoffnungen — oder wenigstens keine auf die Dauer. Hier wird nur die Unausgegorenheit von Außenseitern, ihre aggressiven Selbstexperimente und ihr ausfälliges existenzielles Herumtappen, der vorfabrizierten, keimfreien Lebensweise und „-Weisheit“ einer Gesellschaft gegenübergestellt, die solche Außenseiter provoziert. Und wehe, wenn diese dann „bürgerlich“ werden: „Die müßte man ja vergasen“, meinen die frischgebackenen Nazis — und: „Die Palette war die Hölle!“

Formal ist die „Palette“ kein avantgardistisches Buch. Es steht gerade dort, wo die „Progressiven“ vielleicht die Nase rümpfen, und die „Konservativen“ schon mit dem Schulterklopfen beginnen. Fichte vermeidet die Konventionen, fällt aber anderseits aus dem Rahmen der „normalen“ Orthographie und Syntax meist nicht heraus. Eine nicht sehr dankbare Position, die aber mit Fichtes theoretischen Ansichten überednstimmt und Berechtigung hat, wenn sie gehalten werden kann. Und das scheint — sieht man von einigen stilistischen Uneinheitlichkeiten und Längen ab — doch der Fall zu sein. Ob die „Palette“ in die Literaturgeschichte eingehen wird oder nicht, ist ein Frage, die weder den Rezensenten noch den Leser sonderlich interessieren sollte.

Ohne Zweifel ist dieser Roman ein krasses Buch. Viele meinen, auch ein notwendiges. Wer glaubt, sich einer solchen Meinung nicht anschließen zu können, der mag sich etwas Schöneres suchen.

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