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Die Kuh des Joseph ben Ariston

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Pater Bartolomew der Dominikanischen Ecole Biblique in Jerusalem hat die Restauration und Transkription eines zweiten Schriftstückes des Archives ' der Bar-

Kochba-Partisanen vollendet, das hier zum erstenmal in deutscher Ueber-setzung mitgeteilt wird.

„Wir, die Alten von Beth Mashko, Jeshua und Eleazar, an Jeshua ben Gilgala, den Befehlshaber des Lagers, Gruß.

Es möge Dir bekannt sein, daß die Kuh, welche Joseph ben Ariston gekauft hat von Jacob ben Juda, der in Beth Mashko wohnt, ihm gehört und niemand anderem.

Es ist ein Unglück, daß die Römer uns immer näher kommen. Ich wäre zu Dir heraufgekommen, um Dir zu helfen. Da ich aber von Dir nur gute Nachrichten habe, bin ich nicht heraufgekommen.

Mögest Du gesund sein, mit dem ganzen Hause Israel.

Jeshua ben Eleazar hat das geschrieben Eleazar ben Joseph, hat das geschrieben Jacob ben Juda, für ihn selbst Joseph ben Joseph, als Zeuge Jacob ben Joseph, als Zeuge.“

Dieser zweite Brief kann sich an Bedeutung natürlich mit dem ersten nicht messen, der höchstwahrscheinlich ein Autogramm des mythischen Anführers der Juden im zweiten großen Aufstand gegen die Römer darstellt. Immerhin, auch dieser zweite Brief, ebenfalls an Jeshua ben Gilgala, Befehlshaber des Wüstenlagers, adressiert, gibt uns kulturhistorische Details, die bemerkenswert sind.

Worum es den biederen Dorfschulzen von Beth Mashko vor allem ging, war, die Eigentumsrechte an der Kuh des Joseph ben Ariston klarzustellen, die offenbar von den Partisanen requiriert ist. Beth Mashko muß ein heute verschollenes Dorf im Jordantal gewesen sein und, nach seinem Namen, eine nabatäische Gründung. Der Name des Alleinbesitzers der

Kuh macht uns mit dem Sohn eines helleni-sierten Juden bekannt, der offenbar zur Orthodoxie zurückgekehrt ist.

Nachdem klargestellt ist, daß Joseph ben Ariston allein berechtigt ist, die kostbare Kuh vergütet zu bekommen (eine Kuh in der Wildnis von Judea war wirklich eine Kostbarkeit, und, so wie der Aufstand ausgegangen ist, hat Joseph vermutlich nie sein Geld gesehen), entschuldigt sich der Schulze Jeshua noch rasch, daß er nicht in das Lager „heraufgekommen“ ist, das man sich, wie die Feste Massada, auf einem Hochplateau der Bergwüste vorzustellen hat. Die Römer der Garnison von Jericho verursachen den Dörflern große Schwierigkeiten, und der Partisanenführer, wahrscheinlich ein Bewohner des be-

nachbarten Gilgal, zwischen Jericho und dem Jordan (Joshua 4), hat die Leute von Beth Mashko nicht um Hilfe ersucht.

Die Zahl der Unterschriften, beide Schulzen, der Vorbesitzer der Kuh und zwei Zeugen, stellt klar, daß es sich hier um eine legale Bestätigung handelt, welcher der letzte Satz nur höflichkeitshalber angehängt ist.

Die Kuh des Joseph ben Ariston ist wahr-

haftig ein mikroskopisch:s Detail in der letzten Phase des Verzweiflungskampfes der Juden gegen die römische Uebermacht. Und doch, diese Episode bringt uns die Kämpfer menschlich näher. Welcher Bauer hätte jemals darauf gerechnet, eine Kuh bezahlt zu bekommen, die von der französischen Resistance oder den russischen Partisanen geschlachtet war...

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